Dr. Johannes Neukirch
Predigt zum Letzten Sonntag nach Epiphanias, 30. Januar 2022
über 2. Mose 34,29-35
über 2. Mose 34,29-35
Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem
Liebe Gemeinde,
wenn ich einen Gottesdienst vorbereite, dann schaue ich in der Regel zuerst mal auf Webseite kirchenjahr-evangelisch.de, auf der das Kirchenjahr dargestellt ist. Dort sehe ich, was das für ein Sonntag ist, welche Texte vorkommen, welches das Wochenlied ist etc. Heute ist der Letzte Sonntag nach Epiphanias. Und dazu gab es auf der Kirchenjahresseite die Erklärung: „Ja ist denn immer noch Weihnachten? Vielen Christen ist es gar nicht bewusst, dass der Weihnachtsfestkreis in der Kirche so lange dauert. Die meisten sind schon ganz auf Frühling eingestellt. Doch erst mit dem heutigen Sonntag ist auch in der Kirche die Weihnachtszeit zu Ende. In den Kirchen wird deshalb noch einmal an das Fest erinnert.“ (...) „Dieser Sonntag steht noch einmal ganz im Zeichen der Botschaft von dem großen Licht, das mit Jesus in die Welt gekommen ist.“
„Erst mit dem heutigen Sonntag ist auch in der Kirche die Weihnachtszeit zu Ende“ – dieser Satz hat mich ein wenig wehmütig gemacht. Vom 1. Advent bis heute sind neun Wochen vergangen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber bei mir hat die Weihnachtsstimmung in diesem Jahr ziemlich gelitten. Immerhin ging es uns in mancher Hinsicht noch besser als im letzten Jahr, da fielen ja die Weihnachtsgottesdienste ganz aus. Aber immer noch diese elenden Einschränkungen und Fragen: Wagen wir es, an Heilig Abend vier Gottesdienste zu halten oder ist das zu gefährlich, das Singen fehlte – es fehlte und fehlt schmerzhaft!! -, an einen Adventsbasar oder irgend etwas Vergleichbares, war gar nicht zu denken; der Gottesdienstbesuch erfreulich, aber kein Vergleich zu den Jahren ohne Corona. Und wie viele Menschen saßen einsam zu Hause und haben sich nicht rausgetraut.
Obwohl wir auch sehr schöne Tage hatten – zum Beispiel als wir zusammensaßen, um für die Weihnachtsaktion zu basteln und um die Umschläge zu befüllen. Und wir haben, so habe ich es jedenfalls empfunden, stimmungsvolle Weihnachtsgottesdienste gefeiert.
Trotz allem hat mir im Rückblick auf diese neun Wochen – wie soll ich das sagen – der volle weihnachtliche Glanz gefehlt. Das ist jedenfalls mein Gefühl und das mag auch an mir selbst liegen – ich weiß ja nicht, wie es Ihnen und Euch ergangen ist.
Der volle weihnachtliche Glanz ist auch das Thema des Predigttextes für diesen letzten Sonntag in der Weihnachtszeit. Aber anders als Sie wahrscheinlich vermuten. Es ist nicht der Glanz der Kerzen, der Weihnachtslieder, der Goldsterne. Es geht um Mose, den Gott beauftragt hat, das Volk der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei in das kanaanäische Land zu führen.
Im zweiten Buch Mose steht die folgende urtümliche Geschichte:
Der Glanz auf Moses Angesicht
29 Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
30 Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.
31 Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen.
32 Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der HERR mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.
33 Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.
34 Und wenn er hineinging vor den HERRN, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war,
35 sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.
Sie erinnern sich: Auf der Wanderung durch die Wüste lagert das Volk Israel am Berg Sinai und Mose steigt den Berg hoch und bekommt dort von Gott die zehn Gebote und viele weitere Weisungen. Die Zehn Gebote sollte er auf Steintafeln schreiben, deshalb heißt es in unserem Text, dass er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand hatte. Was alles am Berg Sinai passiert, ist eine längere Geschichte. Mir geht es vor allem um diesen einen Vers, um den Glanz: „Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.“ Mose glänzt, die Basisbibel übersetzt „von seinem Gesicht gingen Strahlen aus“, er glänzt oder strahlt von innen heraus!
Dieser Glanz ist so stark, dass sich die anderen vor ihm fürchten, deshalb legt er eine Decke auf sein Gesicht. Und die Geschichte wiederholt sich: Immer wenn Mose mit Gott redete, das machte er in einem besonderen Zelt, fing das Glänzen wieder an.
Was für ein starkes Bild: Mose begegnet Gott, redet mit Gott, und sein Gesicht strahlt danach so stark, dass er es abdecken muss.
Wie ist das zu verstehen?
Eine direkte Begegnung mit Gott ist, wie können wir das ausdrücken, eine extreme Erfahrung, die mit nichts anderem vergleichbar ist. Nur ausgewählte, besondere Menschen sind dafür geeignet, diese Erfahrung auszuhalten. Wenn Gott sich zeigt, hat das im Alten Testament verschiedene Formen: denken Sie an die Wolkensäule tagsüber und die Feuersäule nachts als Gott dem Volk den Weg durch die Wüste zeigt; denken Sie an den brennenden Dornbusch. Bei Mose ist es noch mal viel mehr: Er redet direkt mit Gott und Gott teilt ihm etwas mit, das er dann an sein Volk weitergibt. Er redet durch Mose direkt zu seinem Volk. Und das ist eben ein ganz besonderer, ein heiliges, außergewöhnliches, extremes Ereignis. Aber auch irgendwie schön: das Gesicht des Mose glänzt, strahlt.
Sie kennen ja die Redewendungen „bring Glanz in meine Hütte“, „ein leuchtendes Beispiel“, „strahlend vor Glück“ ....
Was können wir mit dieser Geschichte anfangen?
Lassen Sie uns eine direkte Linie zu der Lesung aus dem Evangelium des Matthäus ziehen, die wir vorhin gehört haben. Dort geschieht Ähnliches: Jesus ist mit einigen Jüngern auf einem Berg – wieder der Berg -. Und dann geht es so weiter:
„Und Jesus wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne (das ist eine direkte Parallele zu Mose!), und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.“
„Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“
Und lassen Sie uns eine zweite Linie ziehen, zu Paulus im zweiten Brief an die Korinther, er schreibt:
„Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Wir alle aber spiegeln mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider, und wir werden verwandelt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von dem Herrn, der der Geist ist.“
Von dem glänzenden, strahlenden Angesicht des Mose über Jesus Christus bis zu uns hin können und dürfen wir eine Linie ziehen: Gott redet, Gott zeigt sich in seinem Wort. Seine Kraft, seine Herrlichkeit, sein Licht reicht durch Jesus Christus bis zu uns: Wir alle spiegeln die Herrlichkeit des Herrn wider.
Was hat das mit meiner leichten nachweihnachtlichen Wehmut zu tun? Ich hätte gerne mehr weihnachtlichen Glanz gehabt, das ist richtig. Ich lasse mich aber gerne darauf verweisen, dass der Geist Gottes im ganzen Kirchenjahr Licht und Glanz verbreitet! Und zwar einen Glanz, der keine Kerzen braucht. Mose strahlt von innen heraus, Wir alle, sagt Paulus, spiegeln die Herrlichkeit des Herrn wider – manchmal mehr, manchmal weniger.
Zum Abschluss der weihnachtlichen Zeit ein Spruch von Angelus Silesius, der auf den Punkt bringt, worum es nicht nur an Weihnachten geht:
„Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir, du gingest ewiglich verloren!“ Der Glanz kommt aus unseren Herzen. Ganz von innen heraus lässt uns der Geist Gottes strahlen.
Amen.
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