Predigtgrüße aus der Kirchenregion

Die Predigerinnen und Prediger in unserer Kirchenregion West haben eine Tradition aus dem ersten Lockdown wieder aufgenommen: den Gruß vom Kirchturm, auch Predigtgruß genannt. Ein Archiv der letzten Texte finden Sie hier: https://stjohannes-davenstedt.wir-e.de/gruss-vom-kirchturm

EIN VERHINDERTER TURMBAU UND EIN PFINGSTWUNDER - Predigtgruß von Manuel Kronast

Predigtgruß zum Pfingstsonntag
 
EIN VERHINDERTER TURMBAU UND EIN PFINGSTWUNDER
 
Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche! (1. Mose 11,4)
 
Eine uralte, wohlbekannte Geschichte: Menschen bauen in Babel einen gigantischen Turm, werden von Gott bestraft und verstehen sich plötzlich nicht mehr, im wahrsten Sinn des Wortes. 
Das Neue Testament erzählt darauf eine Antwortgeschichte (Apostelgeschichte 2,1-21): In Jerusalem wird ein Fest gefeiert. Menschen zahlreicher Sprachen und Kulturen feiern ausgelassen, verständigen sich mit Dolmetschern oder Händen und Füßen. Und plötzlich werden einfache Menschen aus der Provinz von einem besonderen Geist ergriffen, allen voran ein Fischer aus Galiläa. Er erzählt von Gottes Sohn, der gekreuzigt und wieder lebendig wurde. Und das verstehen alle – es ist Pfingsten!
 
Aber ganz passen die beiden Geschichten doch nicht aufeinander. Denn Pfingsten macht ja all die Sprachen und Dialekte nicht wieder zu einer Universalsprache. Und die Menschen in Jerusalem verstehen an diesem Tag nicht einander, sondern nur alle die Predigt dieses Petrus. Das verbindet sie allerdings ganz gewaltig.
Vielleicht liegt es also gar nicht an der Sprache, vielleicht liegt es an der Botschaft. Vielleicht ist die Botschaft des Petrus so universell, dass sie instinktiv verstanden wird.
 
Doch gehen wir Jahrtausende zurück, in die Zeit der Sagen und Legenden. Ich habe versucht, mir vorzustellen, warum die Geschichte vom Turmbau zu Babel zum ersten Mal aufgeschrieben worden sein könnte.
Vielleicht waren es die Menschen aus Israel, die als Verschleppte hunderte Kilometer von zu Hause entfernt in Babylon saßen und dort ein gigantisches Bauwerk bestaunten, das irgendwie unfertig aussah. Als wäre der Bau mittendrin abgebrochen worden. Warum? Sie spürten doch tagtäglich die überwältigende Macht dieses Weltreichs. Was konnte denn diese gigantische Macht daran hindern, einen Turm fertigzubauen?
Plötzlich fing eine an, eine uralte Sage zu erzählen, von einem Turm, den Menschen bauen wollten, und von Gott, der einschritt und den Bau abbrach. Er brachte nicht die Baumeister und Handwerker um, ließ nicht den Turm einstürzen. Gottes Plan war weniger blutrünstig und viel effektiver. Er nahm den Bauleuten und Architekten die Fähigkeit, miteinander zu kommunizieren. Damit war der Bau erledigt.
Diese Sage gefiel denen, die zuhörten. Sie saßen hier in einem fremden Land, verstanden die Sprache nicht, fanden die Kultur seltsam – und es beruhigte sie, dass das alles von Gott so gewollt war und dass er stärker war als die Großmächte. So schrieben sie die Geschichte auf und sie wurde zum Teil ihres heiligen Buches.
 
Die Geschichte provoziert zur Kritik an Gott. Die Menschen bauen doch nur einen Turm! Warum hat Gott davor Angst? Das ist wenig souverän und allzu menschlich, eines Gottes kaum würdig. Was soll so schlimm daran sein, einen Turm zu bauen, egal, wie hoch?
So ist die Gefahr groß, dass mit seinem heiligen Buch auch dieser Gott weggelegt wird. Wird er nicht auch anderswo in diesem Buch als cholerischer Weltenschöpfer geschildert, der bei jedem Vergehen seines Volkes explodiert und grausame Strafgerichte vollstreckt? Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellt sogar die Bibel selbst.
 
Aber von der anderen Seite her betrachtet, sind all diese Maßnahmen Notwehrmaßnahmen Gottes gegen eine Menschheit, die aus dem Ruder gerät. Und bei genauem Hinsehen macht Gott das nicht, weil er Angst hat, dass die Menschen ihn überholen. 
Seine Motivation geht viel tiefer. Gott beobachtet, dass die Menschen nicht friedlich zusammenleben können. Und er hat Angst: nicht um sich, sondern um seine Schöpfung, die er doch so sehr liebt. Er ergreift Maßnahmen, die zugegebenermaßen drastisch ausfallen können. Aber diese Geschichten sind keine Tatsachenberichte, sie illustrieren Menschheitserfahrungen.
Denn welche Menschen bauen diesen Turm? Offensichtlich sind sie schlau und kompetent, technisch auf dem neuesten Stand, strotzen vor berechtigtem Selbstbewusstsein. 
Aber was machen sie mit ihrem Reichtum, ihrem Können und ihrer Tatkraft? Stellen sie den Ausgleich zwischen Arm und Reich her? Rotten sie die Krankheiten aus, die Menschen plagen? Feiern sie Feste, um ihre Gemeinschaft zu genießen? Nein: Sie bauen einen Turm, um größer als Gott zu sein. Der Turm wird riesig.
Gott hat Angst. Nicht um seine Position, sondern davor, was diese Menschen mit dieser Macht einander antun könnten. 
Und so bringt er ihre Sprachen durcheinander.
Letztlich ist das nicht die richtige Lösung, die Menschen finden genug Wege, einander weh zu tun. Aber die Geschichte zeigt trotzdem keinen schmollenden Gott, der die Sandburg der Menschen kaputtmacht, damit er die größere hat. Wir erleben einen Gott, der sich um die Zukunft der menschlichen Gemeinschaft Sorgen macht.
Und wir erleben Menschen, die ihr Können einsetzen, um besser dazustehen. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum sie einander plötzlich nichts mehr zu sagen haben. 
 
Jahrtausende später: Pfingsten. Menschen aus allen Himmelsrichtungen verstehen auf Anhieb – dass einer für andere in den Tod gegangen ist, dass Gott die Macht des Todes bricht, dass neue Gemeinschaft möglich ist. Sie spürt den Geist, der sie nicht bei sich bleiben lässt. Und schon am nächsten Tag setzen viele dieser Menschen ihr Geld nicht mehr für sich selbst, sondern für eine Gemeinschaft ein. Für Arme und Benachteiligte, für Witwen und Waisen. 
 
Eine zeitlose Frage: Wofür setzen wir unsere Macht und unsere Kompetenz ein?
 
Die Bibel erzählt zwei Geschichte: von Menschen, die ihr Ego fördern und von Menschen, die die Gemeinschaft fördern. Sie erzählt, wohin beides führen kann. Und von einem Geist, der füreinander begeistert. 
 
Ein gesegnetes Pfingstfest!
 
(Pastor Manuel Kronast, Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Badenstedt, manuel.kronast@evlka.de

Nicht schon wieder! - Predigtgruß von Manuel Kronast

Nicht schon wieder!
 
Da stehen sie nun, eine Handvoll Männer und Frauen. Auf dem Ölberg, wieder einmal. 
Es ist kalt und windig, eine Wolke ist an der Sonne vorbeigezogen. Mit der Wolke ist ihnen die Hoffnung weggezogen worden. 
Schon wieder.
 
Vor wenigen Wochen standen, kauerten, lagen sie an einem anderen Berg, am Golgatha, der Schädelstätte. Manche von nah, die meisten von fern sahen zu, wie Jesus am Kreuz starb. Einige nahmen ihn ab und legten ihn in ein Grab. Die meisten rannten davon. 
Mit Jesus lag ihre Hoffnung im Grab, die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf das Reich Gottes. Dabei hatte Jesus doch immer wieder gesagt, dass dieses Reich ganz nahe sei, es stünde sozusagen vor der Tür. Und sie hatten – einmal, früher, eine Ewigkeit her – damit gerechnet, dass in Jerusalem die Befreiung des Volkes begänne. Am Passafest würde das sein, wie vor Jahrhunderten in Ägypten, nur noch radikaler und vor allem ewig. Keine Armut mehr, keine römische Besatzung, keine reichen Grundbesitzer, kein stundenlanges Warten auf dem Marktplatz und dann kommt doch kein Arbeitsangebot für den Tag, keine Behinderungen und Pandemien mehr, kein Leid, kein Schmerz, keine Tränen, kein Tod.
Und so waren sie voller Freude und Jubel nach Jerusalem gezogen, hatten „Hosanna“ gebrüllt – und plötzlich kauerten sie am Rande von Golgatha, ihr Paradies in Scherben.
 
Doch das war nicht das Ende. Nachher erinnern sich die Schlauen, Jesus habe es doch vorausgesagt – und vergessen die eigene Hoffnungslosigkeit. Sie erkennen den Plan: Jesus musste hinabsteigen in das Totenreich, drei Tage lang, die Propheten haben es vorausgesagt.
Drei Tage später ist er wieder unter ihnen, hat den Tod besiegt, jetzt kann das Reich Gottes kommen. 
 
Aber … die Tage gehen und das Reich Gottes kommt nicht. Es bleiben die römischen Besatzer, die reichen Großgrundbesitzer, die armen Tagelöhner, die Behinderungen und Pandemien, es bleiben Leid und Schmerz und Tränen … ja, und auch der Tod.
Aber da ist doch Jesus und der muss einen Plan haben. So bestürmen sie ihn: „Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?“ Und sie erwarten eine Zeitangabe, morgen oder übermorgen oder meinetwegen nächste Woche. Was soll Jesus stoppen, er hat sich als übermächtig erwiesen, mächtig sogar über den Tod.
Jesus weist sie zurück: Ich sage euch den Zeitpunkt nicht! Während sie noch seine Zurückweisung verdauen, ist Jesus schon nicht mehr da. Eine Wolke wischt ihn aus ihrem Blickfeld, in einem Moment steht er neben ihnen, sie können seine Stimme hören, seine Hand berühren und im nächsten Moment sind sie allein. Wieder mal. Endgültig …? Sie starren in den Himmel, ohne etwas zu sehen.
Die leisen Nörglerinnen und die mutlosen Pessimisten denken triumphierend und niedergeschlagen: Wir haben es gewusst. Gott (wenn es ihn denn gibt) kümmert sich nicht um diese Welt. 
Hat er nicht bewiesen, dass er wirklich alles kann? Dass er stärker ist als alle weltlichen Obrigkeiten? Dass er sogar dem Tod in dessen eigenem Reich drei Tage lang auf der Nase herumtanzen, und dann aus dem Grab steigen kann, als wäre nichts gewesen? Derart gigantische Macht muss das Himmelreich bringen, andernfalls wäre es unterlassene Hilfeleistung.
Diese Hilfeleistung unterlässt Gott zwei Jahrtausende später immer noch. Das Reich Gottes ist nicht da. Immer wieder haben sich Menschen daran versucht und das Ergebnis war kein Paradies, sondern die Hölle. 
 
Zurück zu den Jüngern: Sie sind wieder allein. Dennoch laufen sie kurz danach zuversichtlich vom Ölberg nach Hause zurück. Sie bleiben nämlich nicht allein mit ihrer Ratlosigkeit und ihrer Hoffnung.
Später, an Pfingsten, wird ihnen der Heilige Geist geschenkt (und die Schlauen werden sich erinnern, dass Jesus das auch vorhergesagt hat). Aber hier kommen erst einmal zwei Männer in weißen Gewändern. Engel? Egal, die Botschaft zählt:
Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.
 
Zwei Sätze, sie verändern alles. Es erblüht kein Paradies, Jesus ist immer noch verschwunden. Was dann?
Vielleicht hören sie: „wird wiederkommen“. Und merken: Wir sind ihm wichtig, sein kurzes Erdengastspiel war keine Abschiedsvorstellung.
Vielleicht hören sie „Jesus“ und merken: Wir haben das, was Jesus gepredigt und gelebt hat. Er hat uns gezeigt, wie wir selbst Spuren des Gottesreiches legen können: Seid bei den Schwachen! Vergebt einander! Häuft euch nicht Schätze an! Liebt die Feinde! Schaut nicht aufeinander herab! Schaut einander in die Augen – und erkennt Geschwister, Kinder Gottes! Jesus wollte uns die ganze Zeit auf unsere eigenen Beine stellen, uns sanft von seinem Rockzipfel lösen, uns im besten Sinn verantwortlich machen.
An Ostern war nicht entscheidend, dass Jesus zurückgekehrt ist und den Jünger/innen alles Kümmern wieder aus der Hand genommen hat. Entscheidend war, dass imperiale Großmannssucht, politische Ränkespiele, menschliche Verschlagenheit, das Brüllen des Todes nicht das letzte Wort haben.
 
Sie kehren zurück und entdecken ein weiteres Heilmittel gegen Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit: Gemeinschaft. 
Diese alle hielten einmütig fest am Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu und seinen Brüdern. 
Gott gibt uns die Verantwortung, als Menschen (nicht als Götter!) füreinander da zu sein. Es so gut wie möglich zu machen. Aus Fehlern zu lernen und sie zu verzeihen, uns und anderen. Reue zu wagen und auf Feinde zuzugehen. Frei zu sein und verantwortlich.
Schaut nicht zum Himmel! Wartet nicht auf das Paradies, sondern wagt das Bestmögliche. Gemeinsam mit Gott und miteinander kann das Bestmögliche wunderbar sein!

 (Pastor Manuel Kronast, Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Badenstedt, manuel.kronast@evlka.de

Betet! - Predigtgruß von Johannes Rebsch

Liebe Gemeinde: Betet!

Eine Aufforderung, die man ja sonst eher selten so zu hören bekommt. Außer heute. So heißt dieser Sonntag: Rogate! Betet! 

Dazu gibt es einen Text aus dem Buch Sirach. Das hat auch nicht alle Tage Platz in unseren Gottesdiensten. Ein Buch der sogenannten Weisheitsliteratur – gesammelte und geordnete Lebenserfahrung. Dort schreibt einer vom Gebet, wie es aufsteigt, durch die Wolken dringt und vor Gott kommt. Es heißt: 

Gott hilft dem Armen ohne Ansehen der Person und erhört das Gebet des Unterdrückten. Er verachtet das Flehen der Waisen nicht noch die Witwe, wenn sie ihre Klage erhebt. Laufen ihr nicht die Tränen die Wangen hinunter, und richtet sich ihr Schreien nicht gegen den, der die Tränen fließen lässt? Wer Gott dient, den nimmt er mit Wohlgefallen an, und sein Gebet reicht bis in die Wolken. Das Gebet eines Demütigen dringt durch die Wolken, doch bis es dort ist, bleibt er ohne Trost, und er lässt nicht nach, bis der Höchste sich seiner annimmt und den Gerechten ihr Recht zuspricht. (Sir 35,16-22a)

Da möchte ich den Autor ja am liebsten gleich zurückfragen: War die Welt, in der du lebtest, eine so ganz andere?

Hilft Gott wirklich den Armen? Wo werden die Nöte der Unterdrückten erhört? Dringen unsere Gebete tatsächlich durch die Wolken? Oder bleiben sie nicht oft in den Wolken hängen, nur um als enttäuschte Hoffnungen wieder auf uns herabzuregnen? Wie oft habe ich das Gefühl, dass meine Gebete es nicht einmal durch die Zimmerdecke schaffen – ganz zu schweigen vom Himmel?

Warum überhaupt beten?

„Not lehrt beten“ – antwortet uns das Sprichwort und rückt das Gebet damit eigentlich an die letzte Stelle: Wenn die Not so groß ist, dass alles andere ausweglos erscheint, dann vielleicht doch noch zum Gebet greifen? Als letzten Halm? Als letzten Hoffnungsfunken?

Ich komme ja aus dem Einzugsgebiet der Kölner Band BAP. Die gaben sich in einem Lied über das Gebet noch abgeklärter. Der Refrain ging so: „Wenn et Bedde sich lohne däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät.“ Oder übersetzt: „Wenn das Beten sich lohnen würde, was meinst du wohl, was ich dann beten würde.“ 

Da bleibt von dieser letzten Hoffnung nichts mehr übrig. 

Andererseits: Was ist das eigentlich für ein Gebet, das sich lohnen muss? Was ist das für ein Gott? Wenn ich anfange zu fragen, ob mein Gebet funktioniert – mache ich dann Gott nicht zur Jukebox für meine Wünsche? Meine Gebete sind dann der Münzeinwurf und Gott macht die Musik, die mir gefällt? Einen solchen Automaten würden wir kaum „Gott“ nennen. 

Man könnte nun philosophisch werden und sagen: „Das Gebet verändert nicht Gott, sondern die Person, die betet.“ Da ist bestimmt einiges dran. Im Beten werde ich mir schließlich über meine eigenen Gedanken, meine Gefühle klar. Formuliere sie, spreche sie aus. Aber wenn das alles wäre, dann könnte ich Tagebuch schreiben, statt zu beten. 

Ich will mir das Gebet nicht wie eine Einbahnstraße vorstellen, sondern erwarten, dass da auch etwas von Gott zurückkommt. Das sagt Sirach ganz ähnlich: „Er – also der Beter – lässt nicht nach, bis der Höchste sich seiner annimmt.“ 

Annahme. Das ist für mich als allererstes einmal Kontakt. Gebet als Mittel, um mit Gott in Kontakt zu treten. Wie bei einem Gespräch unter Freunden eben. Da bekomme ich auch nicht alles, was ich will, aber vieles, das zählt: Annahme – ohne immer gleich derselben Meinung sein zu müssen. Vergebung – für Fehler, die ich mache. Zuspruch, Beistand und Rat – in einem Wort: Liebe. 

Kontakt und Beziehung mit Gott. Das setzt voraus, dass beide Partner am Gespräch beteiligt sind. Gebet also kein Monolog, keine Einbahnstraße ist und Gott von sich hören lässt. 

Wie einen Menschen habe ich Gott nie reden gehört, aber dass er ganz und gar stumm ist, würde ich nicht sagen. Immer wieder fallen mir Situationen oder Begebenheiten ein, die ich rückblickend als Geschenke aus Gottes Hand annehme: Mal sind es andere Menschen, dir mir genau zur richtigen Zeit sagen, was ich hören musste. Oder Menschen, die mich inspirieren oder motivieren und die mir zum Fingerzeig Gottes werden. Ein anderes Mal meine ich Gott in der überwältigenden Schönheit der Natur zu sehen. Es ist vielleicht nicht immer die Erfüllung meiner Bitte, aber doch eine Antwort darauf – der Eindruck, dass ich nicht allein bin, sondern Gott mit mir ist. Dass er sogar die Sehnsüchte und Nöte kennt, für die ich gar keine Worte finde. Es sind Momente, die mich sagen lassen: Dankbarkeit lehrt beten.

Und wenn ich doch mal das Gefühl habe, dass die Gebete von der Zimmerdecke abprallen? Dann will ich, wie Sirach es vorschlägt, hartnäckig bleiben. Nicht weil sich das Beten lohnen muss, sondern weil es sich lohnt, mit Gott in Kontakt zu bleiben. In dieser Beziehung muss doch, wie in jeder Freundschaft, dafür Platz sein, die Gefühle von Verlassenheit auszusprechen, die Erfahrung der Gottesferne zum Gespräch zu machen. Das hat Jesus auch so gemacht, als er sich Worte aus den Psalmen lieh und Gott anschrie: „Warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22)

Gebet als Möglichkeit, um mit Gott in Kontakt zu treten – das ist schon viel besser als der Wunschautomat, doch begnügen will ich mich damit noch nicht. Ein Blick zu Sirach verrät, dass da noch etwas offen ist: „Gott hilft dem Armen, erhört den Unterdrückten“, behauptet er. Da ist Gott doch noch etwas schuldig geblieben! Denn dass ein guter Gott nicht für Gerechtigkeit sorgen sollte, ist undenkbar und umso mehr schmerzt uns die Ungerechtigkeit in dieser Welt. Wie Sirach halten wir an dem Glauben fest, dass Gott eines Tages Gerechtigkeit herstellen wird. Aber solange das Unrecht besteht, stellt es unseren Glauben, unseren Gott in Frage. Und solange lässt es uns nicht ruhen.

Darum lasst uns hartnäckig sein und beten, bitten und klagen. 

Aber auch genau hinhören: Denn vielleicht sind wir die Menschen, die Gott sendet, um anderen zur Gebetserhörung zu werden. Vielleicht sind wir die Nächsten, die einem Armen helfen, einer Unterdrückten beistehen und Trauernde trösten. 

Amen.

Pastor Johannes Rebsch, Velber - Johannes.Rebsch@evlka.de

Quelle: Johannes Neukirch
Weltgebetstag 2020

Singt! - Predigtgruß von Johannes Neukirch

„Und als Jesus schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien. (Lukas 19,37-40)
 
„Wir dürfen ja im Gottesdienst nicht singen“ - ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz inzwischen gesagt habe oder besser: sagen musste. Ein wahrlich deprimierender Satz. Und ich habe oft gehört: „Ich freue mich darauf, wenn wir endlich wieder singen dürfen, ich vermisse den Gesang in der Kirche oder im Chor“. Und nun sollen wir also den Sonntag „Kantate“ feiern - „Kantate“ heißt „Singt!“. Das ist die Aufforderung aus Psalm 98: „Singt dem Herrn ein neues Lied“. Und leider müssen wir sagen: es geht zur Zeit nicht, die Pandemie macht uns einen Strich durch die Rechnung.
 
Gut, so ganz ohne Lieder sind wir nicht. In der Ahlemer Gemeinde haben wir einen Kompromiss. Die Orgel spielt die Melodie des Liedes, dann spricht die Gemeinde die Liedstrophen. Wenn Birgit Landvogt an der Reihe ist, dann singt sie die Strophen, und ihr Ehemann Castor begleitet sie an der Orgel. So kommen wir über die Runden und machen ganz nebenbei neue Erfahrungen: Bei gesprochenen Liedstrophen oder beim Zuhören des gesungenen Liedes treten die Liedtexte stärker in den Vordergrund.
 
Eines wollen wir auf jeden Fall vermeiden: dass die Steine schreien müssen. Denn es steht fest, dass die Steine das nicht können - weder singen noch schreien. Unser Predigttext berichtet, dass sich die Pharisäer ärgern. Sie und viele mit ihnen wollen nicht zulassen, dass die Jüngerinnen und Jünger diesen Jesus so hochjubeln und ihn „König“ nennen. Aber Jesus weiß, wie es weitergeht. Er weiß, dass er durch den Kreuzestod hindurch gehen wird. Er weiß, dass Gott selbst ihn bestätigen wird. Deshalb kann und will er die Jüngerinnen und Jünger nicht aufhalten und sagt: „Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“ Das meint doch: Egal, was passiert, das Lob Gottes wird seinen Weg finden.
 
Was die Jüngerinnen und Jünger tun, das hält sich bis heute. Sie loben Gott und singen: „Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“ Wenn die Pandemie vorbei ist, werden auch wir das wieder aufnehmen und wie gewohnt in jedem Gottesdienst nach dem Eingangslied singen: „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Und nach dem Kyrie: „Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade“. 
 
Wenn die Sprache auf den sonntäglichen Kirchengesang oder auf den Gesang bei Trauungen, Taufen und Beerdigungen kommt, hören Pastorinnen und Pastoren allerdings oft den Satz: „Ich kann ja gar nicht singen“. Ja sicher, das mag ja mehr oder weniger stimmen. Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Christinnen und Christen sollen singen, auch wenn sie gar nicht richtig singen können. Sie dürfen laut oder leise, richtig oder falsch, hoch oder tief, rauh oder sanft, heiser oder klar singen oder brummen - wie auch immer. Entscheidend ist, DASS sie singen, nicht WIE sie singen! 
 
Denn wenn wir singen, wachsen wir über uns selbst hinaus. Das spüren wir vor allem im gemeinschaftlichen Singen. Auf dem Fußballplatz, in einem Rockkonzert, bei den Fischerchören oder der Liedertafel. 
 
Im Gottesdienst kommt noch etwas Besonderes hinzu: Wir singen gegen den Zweifel, gegen die Angst, gegen die Trauer. Wir singen für den Glauben, für die Hoffnung, für die Gemeinschaft der ganzen Christenheit! Wenn wir singen, müssen wir nicht nach Worten suchen und wir können Dinge sagen - pardon Singen - die wir sonst kaum über die Lippen bringen würden: „Trotz dem alten Drachen, Trotz dem Todesrachen, Trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in Acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen.“ Das ist eine besondere Form des Glaubens. 
 
Jemand hat mal gesagt: "Wir glauben längst nicht alles, was wir singen. Aber wir singen, damit wir Glauben lernen". Ja, wir wollen im Gesang Lebensmut wecken und einstimmen in das unerschütterliche Gottvertrauen, das in den Liedern steckt. Und in dem Psalm dieses Sonntags hören wir, dass die gesamte Schöpfung mit einstimmen soll: „Singet dem Herrn ein neues Lied“ heißt es dort, „denn er tut Wunder. Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. Die Ströme sollen in die Hände klatschen, und alle Berge seien fröhlich vor dem HERRN“. 
 
Kantate!  Wir singen trotzdem, auch wenn es nicht immer die richtigen Töne sind und glauben trotzdem, auch wenn wir manchmal Zweifel haben. Denn wir wissen: Eines Tages werden wir dem Herrn lobsingen und ihm jauchzen - und wir werden staunen, was wir dann für Stimmen haben werden. 
 
In einem Gebet aus Wülfinghausen habe ich die folgenden Zeilen gefunden:
Und jemand muss singen,
Herr,
wenn du kommst!
Das ist unser Dienst:
Dich kommen sehen und singen.
Weil du Gott bist.
Weil du die großen Werke tust,
die keiner wirkt als du.
Und weil du herrlich bist
und wunderbar,
wie keiner.
 
Amen

Pastor Dr. Johannes Neukirch, Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem, johannes.neukirch@evlka.de

Dem unbekannten Gott - Predigtgruß von Uwe Siemers-Ziegler

Unsichtbar und unbekannt.
Reden wir so über Gott?
Denken wir uns Gott so?
 
Unsichtbar bestimmt.
Was wir von Gott sehen, ist die Wirkung seines Tuns.
Die Schöpfung, wenn wir vom Schöpfer reden.
Aber Gott selbst?
Niemand hat Gott jemals gesehen, heißt es selbst in der Bibel (1. Joh. 4, 12).
Und das ist wohl auch gut so, denn wer weiß, ob wir das aushalten könnten,
Gott zu sehen. Zu erkennen.
 
Moses hat sich das gewünscht. Und er darf hinter ihm her sehen, aber:
Kein Mensch wird leben, der mich sieht, sagt Gott (2. Mose 33, 20-23).
 
Schrecklich, furchterregend, tödlich wäre es, Gott zu sehen.
Gut, dass er unsichtbar ist.
 
Und unbekannt?
Was wissen wir denn?
Keinen Namen.
Viele Geschichten, die sich für uns zu widersprechen scheinen.
Gott Israels oder Gott der Welt?
Lieber oder zorniger Gott?
Befreier? Gebieter?
Alles in allem? Nichts?
 
Wir sollen uns kein Bild machen.
Und können fast nicht anders.
 
Wir glauben an einen Gott, mit dem wir reden können, zu dem wir beten.
Wir denken an ihn als ein Prinzip, das die Welt zusammenhält,
Anfang und Ende. 
Sinn…
 
Und dann sehen wir uns um,
sehen die Schöpfung, für deren Schönheit wir Gott gern preisen,
und sehen, wie diese Schöpfung nicht nur Leben, sondern auch Tod bedeutet.
Und fragen nach dem Sinn, oder nehmen es so hin, das Sterben,
merken aber, dass Gott uns dabei fremd wird.
Sehen, wie viele um ihr Leben kämpfen müssen,
wie wenige unbeschwert sind.
Warum?
 
Unsichtbar und unbekannt ist Gott.
Darum für viele ohne Bedeutung.
Gar nicht da.
 
Andere sind vorsichtiger, schon in alter Zeit waren sie das:
Über Paulus wird erzählt (Apg. 17, 16-31), dass er in Athen einen Altar gefunden hat, auf dem stand: Dem unbekannten Gott. 
 
Was haben sich die Leute in Athen dabei gedacht, die ihre Götter und Göttinnen doch ganz gut kannten, Zeus und all die anderen auf dem Olymp?
 
War das eine Geste Fremden gegenüber, damit die in der Stadt einen Ort finden, an dem sie beten können? Ein Platzhalter?
Oder hatten sie Angst, ein göttliches Wesen übersehen zu haben und schaffen sich eine Ausrede mit diesem Altar?
Oder ist das einfach Respekt, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie die Richtigen verehren, 
ob ihre Verehrung richtig ist? Weil sie vermuten, dass Gott doch ganz anders sein könnte? 
 
Paulus sagt: Ich verrate euch, wen ihr da unwissend verehrt. Und er erzählt vom Schöpfer des Himmels und der Erde, wie wir ihn aus der Bibel kennen. Und redet vom Auferstandenen, durch den dieser Gott ein gerechtes Gericht halten wird.
Also von Jesus Christus.
 
So macht er den unbekannten Gott bekannt.
Einige horchen auf.
Andere finden das lächerlich.
 
Aber der Gedanke ist da:
Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung 
(Kol. 1, 15 – Monatsspruch für den April).
 
Jetzt wissen wir Bescheid.
 
Aber der Altar für den unbekannten Gott ist immer noch da.
Ob in Athen, weiß ich nicht.
Aber in unseren Köpfen.
 
Wenn wir Gott sagen, denken wir nicht unbedingt an Jesus,
sondern weiter und wieder an den Unsichtbaren, Unbekannten.
Der verantwortlich ist für die Willkür in der Welt.
Oder die Welt sich selbst, also nicht zuletzt uns, überlässt.
 
Der Glaube an einen Gott, daran, dass da irgendetwas ist,
ist viel verbreiteter als der an Vater, Sohn und Heiligen Geist,
wie er in unseren Kirchen gepredigt wird – 
und wo auch nicht alle, die so von Gott reden, dasselbe meinen
 
Und wenn wir beten: „Lieber Herr Jesus“,
dann haben wir dabei auch nicht immer den Mann aus Galiläa im Kopf,
sondern eher einen zeitlosen, unsichtbaren Gottessohn.
der zusammen mit dem Vater unser Geschick in der Hand hält
und es hoffentlich gut mit uns meint…
 
So viele Fragen sind offengeblieben,
trotz Weihnachten und Ostern, trotz Krippe und Kreuz und leerem Grab.
Und dann landen wir oft doch wieder beim unbekannten Gott
oder den Bildern, die wir uns selbst machen.
 
Jesus hat vom Reich Gottes erzählt und dazu Geschichten erzählt,
die sehr menschlich und oft sehr verblüffend waren.
Er hat ein Leben beschrieben, in dem es nicht um Verdienste geht,
sondern um Barmherzigkeit, Versöhnung, Liebe.
 
Das ist uns oft zu ohnmächtig als Programm eines Gottes.
Und setzen darum andere und anderes auf den Thron,
das, was wir kennen.
Und beten den Erfolg an, 
das Geld, 
die Gesundheit, 
die Macht, egal, wer sie hat.
 
Unser Gott, der sich uns bekannt gemacht hat, durch Jesus,
ist demgegenüber der Unbekannte geworden, 
zu dem man sich allenfalls noch bekennt,
den man aber gar nicht mehr kennt.
 
Da müssen wir es wohl wieder machen wie Paulus,
und unseren Athenern erklären,
wer Gott ist.
Ob sie es lächerlich finden oder interessant, wird sich zeigen.
Wir erzählen erst einmal, von Jesus.

Pastor Uwe Siemers-Ziegler, St.-Johannes-Gemeinde Davenstedt, uwe.siemers-ziegler@evlka.de

EIN HIRTE, DER DIE HIRTEN HÜTET (Hesekiel 34) - Predigtgruß von Manuel Kronast

So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Aber ihr esst das Fett und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete, aber die Schafe wollt ihr nicht weiden. Das Schwache stärkt ihr nicht, und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt. (Hesekiel 34,2-4)

Vor etwa 2600 Jahren: Der Prophet Hesekiel kritisiert „die Hirten Israels“. Damit meint er die herrschende Elite, die religiöse, politische und wirtschaftliche. So ganz auseinander halten ließ sich das sowieso nicht. Hesekiel meinte alle, die Macht und Verantwortung für das Volk hatten. Antike Politikverdrossenheit.

Manche Menschen unserer Zeit finden vielleicht in diesen Worten ihren eigenen Blick auf die Politik wieder. Auf Politikerinnen und Politiker, die sich durch Maskengeschäfte selbst bereichern oder durch zögerliche Maßnahmen Menschenleben aufs Spiel setzen. 

Doch mir erscheinen diese Worte als Diagnose der aktuellen politischen Lage zu pauschal und zu hart. Mag sein, dass zur Zeit Hesekiels die Elite tatsächlich nur sich selbst und nie das Volk im Blick hatte. In unserem Land gibt es solche Menschen natürlich auch (es sind immer zu viele), aber ebenso Politikerinnen und Politiker, die sich mit ganzer Kraft für andere einsetzen und dabei an ihre Grenzen gehen. Fehler lassen sich manchmal nicht vermeiden. Wir sind nicht Gott. 

Vielleicht ist Gott, von dem Hesekiel erzählt, deshalb nicht nur auf die aktuellen menschlichen Hirten wütend, sondern auch ein wenig selbst vom schlechten Gewissen geplagt: Hat er sie überfordert? Er kündigt neue Schritte an:

Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. (34,11-12)

Menschliche Hirtinnen und Hirten haben keine göttlichen Kräfte. Niemand sollte von Menschen Göttliches verlangen.

Aber es begegnet mir immer wieder, in Aussprüchen, Leserbriefen, Kommentaren: von gesellschaftlich Verantwortlichen wird erwartet, perfekt zu sein. Und andererseits merke ich, wie es mir guttut, meine Menschlichkeit und Fehleranfälligkeit anzuerkennen. 

Im 34. Kapitel des Hesekielbuchs hält Gott sich nicht lange dabei auf, was er denn mit den gescheiterten oder korrupten menschlichen Hirten anstellen will. Stattdessen ein Versprechen an ihre Opfer:  Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen (34,10).

Die egoistischen oder überlasteten menschlichen Hirten werden entmachtet oder entlastet: Gott bringt sich selbst ins Spiel!

Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR. Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. (34,15-16)

Allerdings geht es nicht nur um einen Hirtenwechsel. Es gibt schließlich auch noch die Schafe. Und wenn Gott selbst wieder Hirte ist, dann sind alle Menschen Schafe. Aber wir sind keine unmündigen Wollknäuel. Wir haben Verantwortung füreinander, sind insofern einander Hirtinnen und Hirten.

Auf unsere Zeit und die Corona-Pandemie bezogen: Wir können nicht alles auf Politikerinnen und Politiker abwälzen.

Ja, vielleicht werden Maßnahmen zu zögerlich getroffen oder zu bürokratisch geplant. Doch die beste Maßnahme hilft nichts, wenn wir nicht alle mitziehen. Nicht die Politikerinnen und Politiker stecken Zehntausende pro Tag an – es sind die unterschiedlichsten Menschen und manche davon sind einfach zu sorglos. 

Einander zu hüten bedeutet, zu bedenken, was unser Handeln für andere bedeutet. Masken, Impfungen, Feiern, Gottesdienste – wir haben zu fast allen Aspekten der Coronamaßnahmen eine Meinung. Stellen wir dabei nur uns oder auch andere in den Mittelpunkt?

So habe ich im vergangenen Jahr viele berührende Beispiele von Menschen gesehen, die einander behütet haben. Oft war ich aber fassungslos, wenn Menschen Freiheit für sich beansprucht und dadurch andere in Lebensgefahr gebracht haben. Wenn sie sich nicht gründlich informieren wollten, weil ihnen die oberflächliche Information angenehmer war. Und wie perfide, dass Menschen, die sich an wissenschaftlichen Fakten orientieren, um einander Hirten zu sein, als „Schlafschafe“ beschimpft werden.

Wir können uns eben nicht darauf verlassen, dass „Hirten“ alles für uns vorgeben (seien es Götter oder Menschen), sondern haben Verantwortung für uns und für andere.

Aber den Sinn unseres Lebens oder gar die Hoffnung auf die Ewigkeit, die müssen wir uns nicht selbst geben. Diese Verantwortung hat Gott aus unserer Hand in seine genommen.

Gott sei Dank.

(Pastor Manuel Kronast, Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Badenstedt, manuel.kronast@evlka.de)

PSALM 23
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue 
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

FISCHE FANGEN (Johannes 21,1-14) - Predigtgruß von Manuel Kronast

Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. (Johannes 21,1-2)

So beginnt das Evangelium des ersten Sonntags nach Ostern. Diese sieben Jünger sind nicht mehr in Jerusalem, wo sie durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen ist – Tod und Auferstehung. Verrat und Wunder. 

Sie sind wieder zu Hause am See Genezareth und fischen. Als wären die letzten Jahre nicht gewesen, die Jahre der Wanderschaft mit Jesus. Aber natürlich sind die letzten Jahre gewesen und auch die letzten Tage. Jesus ist gestorben, Jesus ist wieder lebendig geworden. Sie haben ihn selbst gesehen. Sogar Thomas, der es nicht glauben wollte, hat sich überzeugen lassen.

Unvergessliche Erlebnisse. Aber ist das alles jetzt mit auf dem Boot, im Dunkeln auf leicht bewegtem See? Oder haben sie die Jerusalemer Feiertage in den Tresor ihrer Erinnerungen gesperrt, als Schatz für besondere Momente: „Wisst ihr noch, damals, war das nicht schön …?“  

Hat sich ihr Alltag verändert? Fangen sie anders Fische?

 Eines scheint sich nicht geändert zu haben. Jedes Mal, wenn wir in den Evangelien Petrus und seinen Kollegen beim Fischfang begegnen, klappt es nicht. Doch sie werfen unverdrossen weiter die Netze aus. Vielleicht ist das schon eine Veränderung – anders umzugehen mit dem, was schief geht. 

Vielleicht hilft ihnen dabei, dass die wunderbaren Ostererfahrungen in ihrem Erinnerungs-Tresor liegen, dass sie berührt  worden sind vom Ostermorgenlicht.

Wir sind auch wieder im Alltag, schon so kurz nach Ostern. Da sind sie wieder: die Inzidenzwerte und Impfwarteschleifen. Und auch all das andere, das zu unserem Alltag gehört. Auch ohne Corona ist es doch so: Nach dem Fest ist mitten im Alltag. Er will gestaltet und bewältigt, manchmal einfach nur ausgehalten werden. Und manche hatten gar kein Fest, haben durchgearbeitet auf Intensivstationen, in Pflegeheimen oder an vielen anderen Orten. 

Welche Feiertagsmomente haben sie, haben wir in unseren Erinnerungs-Tresoren – und wie weit tragen sie?

Fast alle Menschen kennen das: Adrenalin und Glückshormone – das Spiel gewonnen, die Prüfung geschafft, ein Musical aufgeführt, frisch verliebt, Versöhnung gefeiert. Wunderbares – aber nicht für immer, denn dann kommt der Alltag.

Trotzdem bleibt das Wunderbare in Erinnerung, gibt Kraft, wärmt das Herz. Manchmal noch ganz schön lange. 

Und dann, kurz bevor ich das Netz ins dunkle Wasser gleiten lasse, denke ich an dieses Lächeln, den strahlenden Moment, das unglaubliche Glücksgefühl. Und gleich ist das Netz leichter, weniger alltäglich.

 Die Jünger fangen trotzdem nichts. Vielleicht sind sie frustriert, vielleicht zucken sie nur mit den Achseln: Ist eben ein gebrauchter Tag. 

Dann schauen sie ans Ufer und plötzlich ist der Tag ganz neu, leuchtet das Morgenlicht. Da steht einer, den sie natürlich kennen, aber hier hätten sie ihn nicht erwartet.

Der gehört doch zu den Festtagen, zu den Glücksmomenten, in den Tempel, in die Kirche – nicht in den Alltag, wo Routine ist und Schweiß.

Aber Jesus ruft ihnen zu: „Macht es nochmal, ich bin da. Versucht es auf der anderen Seite, probiert was Neues!“ Und plötzlich sind die Netze voll, sie stolpern ans Ufer und es gibt zu essen für alle. Keine wegrollenden Steine und leuchtenden Engel. Einfach nur ein kleines Feuer und alle werden satt. Gemeinschaft und mittendrin Jesus.

 Der Evangelist Johannes reicht auf diese Weise ganz am Ende, des Buches, als eigentlich alles schon gelaufen ist, noch ein Wunder nach. Als wäre es in seinen Notizen noch übrig und müsste noch irgendwo reingequetscht werden. 

Dabei passt es wunderbar: In Jerusalem erscheint Jesus mit Blitzen und rollenden Steinen. Ausnahmezustand. Wie sollte es anders sein, wenn jemand von den Toten zurückkehrt?

Aber selbst nach diesem Ausnahmezustand ist irgendwann wieder Alltag. Die gleichen Fische schwimmen im gleichen See, sie wissen nichts von Steinen und Engeln. Je länger die Alltage dauern, umso schwerer haben es die Festtage.

Aber sie leuchten und wärmen nach. Deshalb ist es gut, dass wir auch 2021 Ostern gefeiert haben, wenn auch anders als sonst. Natürlich ist Gott nicht darauf angewiesen, dass wir seine Feste begehen. Aber wir sind darauf angewiesen, dass wir immer wieder mal aus dem Alltag auftauchen und uns daran erinnern, was uns gut tut, woran wir glauben, worauf wir unser Leben aufbauen.

Andererseits: Jesus ist kein entrückter Festtags-König, sondern steht auch am dreckigen Strand, wenn wir unsere gewöhnlichen Fische fangen.

Deshalb sind wir nicht nur auf das leuchtende Ostermorgenlicht angewiesen. Auch im alltäglichen Zwielicht leuchtet es warm, steht Jesus am Ufer und fragt liebevoll: „Habt ihr zu essen? Geht es euch gut?“ 

Und dann ist er da, verschenkt Wärme und Gemeinschaft.

 Amen.

Pastor Manuel Kronast, Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Badenstedt, manuel.kronast@evlka.de

MORGENLICHT LEUCHTET (Evangelisches Gesangbuch Nr. 455)

1. Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang. / Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt. / Dank für die Lieder, Dank für den Morgen, / Dank für das Wort, dem beides entspringt.

2. Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet. / So lag auf erstem Gras erster Tau. / Dank für die Spuren Gottes im Garten, / grünende Frische, vollkommnes Blau.

3. Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen, / Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht! / Dank überschwänglich, Dank Gott am Morgen! Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht.

Text: Jürgen Henkys (1987) 1990 nach dem englischen »Morning has broken« von Eleanor Farjeon vor 1933 / Melodie: gälisches Volkslied vor 1900; geistlich vor 1933.

Quelle: privat

Rettung im Angesicht des Todes. Predigt über 2. Mose 14-15

Der Herr ist auferstanden - Halleluja. Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. So heißt es. Gott sei Dank! Deswegen sollen wir heute froh sein. Auch, wenn uns gerade vielleicht gar nicht danach ist. Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort - aber hilft das, wenn er doch auch heute direkt vor Augen steht?

Schon vor Ostern zeugen Geschichten von Gottes Macht. Und davon, dass Rettung und Tod nah beieinanderliegen können. So war es auch bei einer besonderen Geschichte, dem Auszug aus Ägypten: 

Da laufen sie, die Israelit:innen. Mit mehr oder weniger trockenen Füßen. Auf dem Meeresgrund. Die Wellen, die einst unüberwindbar den Fluchtweg versperrten, sind zu Wänden geworden. Sie gehen mitten dazwischen. Vor ihnen das sichere Ufer. Hinter ihnen ihre Verfolger, die Ägypter. Und mit ihnen Gott. 

„Immer hinterher“ lautet der Befehl des Pharao. Wohin sie das führen würde, haben sie sich in ihren kühnsten Albträumen nicht vorstellen können. Was ist das für ein Gott, der mit diesen Sklav:innen ist? Ob das gut gehen wird, ihnen einfach durch die geteilten Wasser zu folgen? So könnte man ins Zweifeln und Zögern geraten. Doch Gottes Verstockung funktioniert. Sie können nicht ablassen. Gott macht den Wunsch in ihrem Herzen stark: sie wollen die  Israelit:innen unbedingt doch noch zurückholen. 

Ihr Wunsch treibt sie an. Und führt zu ihrem Ende.

Am Ende besingt die Prophetin Mirjam das Schicksal der Ägypter in ihrem Loblied: „Lasst uns dem Herrn singen, denn er ist hoch erhaben; Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.“ Ja. Sie besingt die grausame Tat, die dort geschah. Denn nur durch diese Tat ist Israel gerettet. Und  während das Volk die Rettung noch kaum fassen kann, sehen sie die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen. Und neben und in allen Lobgesängen fürchten sie den Herrn und seine starke Hand, die das getan hat. Er hat ihren Feind besiegt. Damit sie, seine Kinder, frei sein können. Warum eine Lektion nicht gereicht hat? Warum sie sterben mussten? Das müssen wir wohl Gott selbst fragen, wie so viele „Warums“ im Leben.

„Dies ist die Nacht, in der du einst unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten herausgeführt und trockenen Fußes durch die Fluten des Roten Meeres geführt hast.“
Das Osterlob der Kirchen erinnert seit dem Mittelalter in der Osternacht an diese Geschichte. Es erinnert an die zeitliche Verbindung von Ostern und dem jüdischen Pessachfest, an dem der Befreiung aus Ägypten gedacht wird. Es erinnert an einen Kampf um Leben und Tod. An dessen Ende wir befreit werden.

Auf der neuen Badenstedter Osterkerze lässt sich das gut ablesen. Dort sehen wir den Weg Jesu - vom Kreuz hinab in das Reich der Toten, in das er hinabsteigt. Um dort den  Feind  zu besiegen. Und zwar nicht irgendeinen, sondern den letzten Feind: den Tod. 

Und doch bedroht dieser Feind unser Leben noch. Wie die Wellen über den Ägyptern zusammenfielen, bricht er über uns herein. Nie war uns das so bewusst wie seit gut einem Jahr. Inzwischen nimmt die dritte Coronawelle Fahrt auf, obwohl wir nach der zweiten doch kaum Luft holen konnten. Viel länger schon spülen die Wellen des Mittelmeers ihre Toten ans Ufer - Menschen, gestorben, weil sie sich ein besseres Leben gewünscht haben. Ja, unsere Furcht vor dem Tod ist noch da. Unsere Angst ist nicht besiegt.

Und doch bleibt es wahr: 
Der Herr ist auferstanden - Halleluja. Der Stein vorm Grab ist weg. Der Tod ist besiegt. Geheuer ist er trotzdem  nicht. Aber der Engel spricht zu den Jüngerinnen, die die ersten Zeuginnen sind: „Fürchtet euch nicht!“ . Das lange Bangen hat ein Ende. Die Angst, dass ihre Hoffnungen sich nicht erfüllen würden. Dass Gott sie im Stich lässt. „Fürchtet euch nicht!“, heißt es. Denn: „Er ist auferstanden.“ 
Darum feiern wir heute. Trotz allem. Denn auch wir sind in die Befreiung geführt worden. Weil jemand für uns ums Leben gegen den Tod gekämpft hat. Darum wollen wir alle fröhlich sein, denn: 
Er hat zerstört der Höllen Pfort, / die Seinen all herausgeführt / und uns erlöst vom ewgen Tod. / Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja, / gelobt sei Christus, Marien Sohn. 
Amen

Vikarin Sandra Golenia, Badenstedt

Download (pdf): Predigtgruß zum Ostersonntag, 4.4.2021, von Sandra Golenia


"Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht" (Hebräer 11,1)

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen. 
Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt. Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist. 
(Hebräer 11,1-2 und 12,1)
 
Es ist aber der Glaube … was?
Einfach Nicht-Wissen? Naivität? Dürftiger Ersatz für sichere Beweise? Brücke über die Untiefen des Zweifels? Nichts nütze? Nebensächlich? Notwendig?
Manche verlieren in diesen Zeiten ihren Glauben. An das Gute im Menschen. An die Vernunft und Kompetenz der Regierung. An Gottes Nähe. 
Andere finden in diesen Zeiten ihren Glauben. An Nachbarschaft und Freundschaft. An die kleinen liebevollen Dinge des Lebens. An Gottes Nähe.
Aber was ist dieser Glaube, der gefunden oder verloren werden kann? Wenn wir im Fundbüro des Lebens stünden, wie würden wir ihn beschreiben? 
 
Der Hebräerbrief, viele Jahrhunderte alt, versucht sich gleich an zwei Beschreibungen: 
Eine feste Zuversicht dessen, was wir hoffen. Sozusagen eine wasserdichte Hoffnung. Wenn wir glauben, dann gehen wir einfach mal davon aus, dass das, was wir ersehnen, was wir brauchen, auch kommen wird. Auch wenn uns das niemand bescheinigt hat.
Ein Nicht-Zweifeln an dem, was wir nicht sehen. Wenn ich ihr gegenüberstehe und nicht daran zweifle, dass sie unter der Maske lächelt. Auch wenn ich es nicht sehen kann.
Zu glauben bedeutet offensichtlich erst einmal: verzichten. Ich verzichte auf Beweise, darauf, dass meine Augen und Ohren und mein Verstand mir keine andere Wahl lassen. Insofern ist Glaube auch Freiheit. Ich könnte auch nicht glauben. Wenn alles klar wäre und bewiesen und gezählt und sichtbar – dann wären wir irgendwie unfrei.
Doch manchmal wirkt es zynisch und verletzend, von Freiheit zu hören. Wenn ich endlich auf dem festen Boden eines Beweises stehen will. Wenn ich des Hoffens so müde bin. Darauf, dass die Pandemie ein Ende hat und zwar bald. Dass die Menschen, die ich liebe, weiterleben. Dass meine Pläne Zukunft haben. Dass das alles irgendeinen Sinn hat oder besser: einen guten.
 
Glaube ist riskant, weil es eben auch anders sein könnte. Warum lohnt sich dieses Risiko?
Der Hebräerbrief ruft uns auf, den Hoffnungsweg zu gehen, nein: zu laufen! Ausgelassen, mit großen, verschwenderischen Sprüngen, voller Lebensfreude und Hoffnung. Aber wie soll das gehen, wenn wir matt durch die Düsternis schleichen, weil der nächste Schritt uns Angst macht?
 
Der Hebräerbrief gibt Wegzehrungen:
Die Wolke von Zeuginnen und Zeugen. Der Hebräerbrief benennt eine Vielzahl biblischer Gestalten, die sich ins Ungewisse aufmachen, weil sie Gott glauben. Ich habe sie hier nicht abgedruckt, sie können im 11. Kapitel nachgelesen werden.
Vielleicht aber sind sowieso die anderen in dieser Wolke viel wichtiger: Die Menschen, denen wir persönlich begegnen.  Menschen, die unterwegs auf ihrem Lebensweg die Zuversicht gefunden haben, dass ihre Hoffnung Wirklichkeit werden kann. Die uns davon erzählen. 
Womöglich haben die letzten Monate auch Gelegenheiten eröffnet, einander Hoffnungsgeschichten zu erzählen. Wenn nicht, sollten wir es tun. 
 
„Lasst uns ablegen alles, was uns beschwert!“ Sie ist noch lange nicht tot, diese Hoffnung, dass wir nach der Pandemie besser und sicherer wissen, was uns wirklich wichtig ist. Dass wir Dinge, die uns nur beschweren, einfach dort liegen lassen, wo wir sie genervt hingeworfen haben. Dass unser Lebens-Lauf leichter und fröhlicher wird.
 
… mit Geduld. Ja, Geduld können wir nach all diesen Monaten. Nur noch einige Wochen Geduld, dann kommt Ostern, dann der Sommer, dann Weihnachten, dann die Impfungen, dann Ostern, dann der Sommer … Wir können Geduld, aber manchmal ist sie so lästig wie ein erzwungener Spaziergang. Freiheit? Geduld!
Aber Geduld bedeutet nicht, passiv den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis alles vorüber ist. Geduld ist aktive Beharrlichkeit. Kontakt halten, auch wenn die Distanz wächst. Die Liebe nicht wegwerfen, wenn sie nur um Ecken funktioniert. Ich habe gemerkt, dass Begegnungen nicht nur weniger werden, sondern auch intensiver.
Geduld ist auch renitent, gegenüber Gott zum Beispiel. Beharrlich beten, klagen, bitten, hoffen. Gott geduldig daran erinnern, dass er doch mal gesagt hat: Siehe, ich bin bei euch, bis an der Welt Ende. Dass er nicht erst am Weltende vorbeischaut, wenn alles gelaufen ist, sondern dabei ist, wenn wir laufen. Oder kriechen. Oder nicht weiterkommen. 
 
… in dem Kampf, der uns bestimmt ist. Ja, der Hebräerbrief schreibt auch vom Kampf. Das war wohl die Erfahrung seiner Empfängerinnen und Empfänger. Sie konnten nicht fröhlich durchs Leben springen. Sie hatten schwer zu schleppen. Mauern standen im Weg. Der Boden war sumpfig. Sie litten.
Vielleicht ging es ihnen objektiv schlechter als uns – aber was heißt das schon? Wir kämpfen unsere eigenen Kämpfe oder verlieren unseren eigenen Mut. Doch wir haben das gleiche Versprechen: Dass Gott auf dem Weg mit dabei ist, dass er mit läuft, mit kriecht, mit leidet. Jesus am Karfreitag gehört unbedingt zur Wolke der Zeuginnen und Zeugen. Ein Gott, der beharrlich bei uns bleibt.
 
Glaube ist Freiheit. Freiheit, uns nicht unterkriegen zu lassen. Freiheit, an die Liebe und das Leben zu glauben, durch den Nebel der Realität hindurch, aber inmitten einer Wolke von Zeuginnen und Zeugen.
Glaube ist eine gute Weise, das Leben zu leben. Miteinander und mit Gott. Amen.

Pastor Manuel Kronast, Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Badenstedt, manuel.kronast@evlka.de

Download (pdf): Predigtgruß zum Sonntag Palmarum, 28.3.2021, von Manuel Kronast


„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25)

An unserem Ahlemer Gemeindehaus hängt immer noch das Banner aus der Adventszeit: Über einer Krippe steht der Ruf des Engels: „Fürchtet euch nicht“. Und rechts daneben „Gott bei euch!“ Ja, wir werden das Banner bald durch ein österliches ersetzen. Aber die Weihnachtsbotschaft gilt ja auch dann noch, wenn die Weihnachtsbäume schon abgeräumt sind. 

Wenn Sie die Weihnachtszeit in der Gewissheit „Gott ist bei mir“ erlebt haben, dann freue ich mich für Sie! Wenn diese Gewissheit immer noch da ist, um so schöner. Wen aber eine Depression krank macht, oder wer zusehen muss, wie seine Familie zerfällt, wer seine Arbeit verloren hat, wer einsam ist, wer seinen Beruf nicht ausüben darf, wer einen lieben Menschen verloren hat, wer eine schlimme Diagnose bekommen hat – der schaut vielleicht auf unser Banner am Gemeindehaus und denkt für sich: Gott bei euch – bei mir ist er nicht. Da kann der Engel noch so oft rufen „Fürchtet euch nicht!“

Unsere Bibel erzählt von einem Menschen, bei dem sehr viel Unglück zusammenkam. Er heißt Hiob. Hiob führte ein vorbildliches und frommes Leben. Dann trifft ihn ein heftiger Schlag nach dem anderen. Er verliert seine Kamele, Schafe, Rinder, seinen ganzen Besitz. Seine zehn Kinder sterben innerhalb kurzer Zeit. Er selbst wird sehr krank, sein Körper ist mit Geschwüren überzogen.  

Hiobs Freunde versuchen, zu erklären, warum es ihm so schlecht geht. Vielleicht war er nicht fromm genug, vielleicht hat er irgendeine Schuld auf sich geladen, war ungerecht, hat sich nicht an die Gebote gehalten, was auch immer. Aber da ist nichts. Hin und Her gehen die Gespräche und Diskussionen. Irgendwas muss da doch sein!? Irgendwo müssen Hiob und Gott sich in die Quere gekommen sein – sonst ist das alles doch nicht zu erklären. Aber es gibt keinen verständlichen Grund für sein Elend. 

Was macht Hiob? Er klagt über sein Elend, er klagt Gott an, er streitet mit ihm. Hören wir mal rein:

„Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon. 

Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch? Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen!“ (Hiob 19, 19-24) 

In dieser Art und Weise könnte ich lange aus dem Buch Hiob zitieren. Ich finde das sehr bemerkenswert und erleichternd. Wir müssen Leid und Elend nicht still ertragen. Ganz im Gegenteil. Lautstark und ausführlich klagt Hiob. Die Gedanken kennen Sie vielleicht: Es ist nicht gerecht, was ich durchmachen muss. Warum trifft es gerade mich? Ich bin völlig unschuldig! Warum hilfst du, Gott, mir nicht, obwohl ich ein frommer und guter Mensch bin? Warum lässt du, Gott, zu, dass ich leiden muss?

Wie geht es mit Hiob und seiner Klage weiter? Völlig unvermittelt sagt Hiob etwas, das uns bis heute bewegt: 

 „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.“ (Hiob 19, 25-27)

Hiob kann es nicht erklären, seine Freunde auch nicht, und Gott sagt uns nicht, warum wir leiden müssen. Hiob lässt uns jedoch in die Tiefe seines Herzens schauen und an seiner größten Sehnsucht teilhaben: Mit zerfetzter Haut stehe ich hier, abgemagert bis auf die Knochen. Aber ich vertraue darauf, dass ich Gott, den mächtigen Schöpfer und Bewahrer der Welt mit eigenen Augen sehen werde. Er wird für mich kein Fremder sein, sondern mein Freund. In der Tiefe meines Herzens weiß ich, dass mein Erlöser lebt. Ich kann euch das nicht erklären, ich kann euch nur sagen, dass ich fest darauf vertraue, dass Gott in allem Leid bei mir ist und immer bei mir sein wird. Mein Glaube ist Vertrauen.

Der bengalische Dichter Tagore hat das in die Worte gefasst: „Glaube ist der Vogel, der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.“

Ich wünsche uns, liebe Leserinnen und Leser, dass uns diese Botschaft durch die Passionszeit trägt und wir sagen können „Gott ist bei uns!“

Aus dem Wochengebet der VELKD: 

Verborgener Gott,
den es nicht gibt, wie es etwas geben kann,
du bist nicht dort, wo wir dich zu wissen meinen.
Doch geschiehst du, wo wir dich vermissen.
 
Erweise deine Nähe,
wo nichts und niemand mehr nah ist,
wo es nichts mehr zu hoffen gibt,
wo Lebensgerüste zerfallen.
 
Erweise deine Nähe,
wo Worte und Verstehen enden,
wo das Wort „Gott“ nichts mehr sagt,
wo der Glaube ins Offene fällt.
 
Verborgener Gott,
du fehlst uns
und wir ahnen doch,
dass du uns näher bist, als wir es fassen,
näher als wir uns selbst.
 
 Pastor Johannes Neukirch, Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Download (pdf): Predigtgruß zum Sonntag Judika, 21.3.2021, von Johannes Neukirch


Brot des Lebens

Amen, amen, das sage ich euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Vorfahren haben in der Wüste das Manna gegessen und sind dann doch gestorben. Aber dies ist das wahre Brot, das vom Himmel herabkommt. Wer davon isst, wird nicht sterben. Ich bin das Lebensbrot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er das ewige Leben haben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Leib. Ich gebe ihn hin, um dieser Welt das Leben zu schenken. – Joh 6,47-51
 
Lasst uns den Predigttext einmal anschauen und auseinander nehmen:
Amen, amen, das sage ich euch – der Text steht einige Verse nach der Speisung der 5000. Es redet immer noch Jesus, immer noch zu denselben Menschen, es ist mittlerweile aber ein anderer Tag. Die Worte danach sind also Worte von Jesus.
 
Wer glaubt, hat das ewige Leben – Der Satz spricht ja eigentlich für sich selbst. Glaube führt zum ewigen Leben. Könnte ich jetzt weiter ausführen, ich mache aber mal keine Doktorarbeit draus.
 
Ich bin das Brot des Lebens – So weit, so unverständlich. Jesus = Brot? Keine einfache Gleichung. Um sie zu lösen, erstmal die Frage: Was ist Brot eigentlich?
 
„Brot […] ist ein traditionelles Nahrungsmittel, das aus einem Teig aus gemahlenem Getreide (Mehl), Wasser [usw, was heutzutage halt so in Brot drin ist] gebacken wird. Brot zählt zu den Grundnahrungsmitteln.“ und „Die Bezeichnung „Brot“ stand früher nicht alleine für das Lebensmittel Nummer 1, sondern stand als Synonym für Nahrung, Speise, Beschäftigung oder Unterhalt“ (Quelle: Wikipedia: Artikel „Brot“) – Also Jesus = ein bestimmtes Grundnahrungsmittel und Synonym für Essen. Heutzutage wäre es vielleicht Ich bin das Müsli des Lebens oder Ich bin der Sonntagsbraten des Lebens. Na gut passt auch nicht, wir müssen zwar immer noch essen, aber wenn es keinen Sonntagsbraten gibt, gibt es halt Nudeln. Oder so. Überproduktion an Essen… Vor 2000 Jahren war nichts da wenn, es kein Brot gab. Die Gefahr zu Verhungern war so real wie bei wenigen Menschen hier. Stellen wir die Frage aber erstmal nach hinten und schauen uns den Rest an.
 
Eure Vorfahren haben in der Wüste das Manna gegessen und sind dann doch gestorben. Aber dies ist das wahre Brot, das vom Himmel herabkommt. Wer davon isst, wird nicht sterben. Ich bin das Lebensbrot, das vom Himmel herabgekommen ist. – Kleine Anspielung auf Moses. 40 Jahre ging es mit Hunger durch die Wüste. Gott schickte Manna (Brotsorte) vom Himmel und sie verhungerten nicht. Gestorben sind sie trotzdem. Denn das Manna stillte den Hunger, aber half nicht zum Ewigen Leben.
 
Mit dem Brot des Lebens ist das anders:
Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er das ewige Leben haben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Leib. Ich gebe ihn hin, um dieser Welt das Leben zu schenken. – Also ja, das Brot des Lebens führt zum Ewigen Leben. Aber das Brot des Lebens ist nicht gleichzusetzen mit normalem Essen. Nicht gleichzusetzen mit Manna.
 
Also: Jesus = Brot des Lebens! Aber: Brot des Lebens ist nicht gleich Nahrungsmittel! Das Brot des Lebens ist unsere Lebensgrundlage!
 
Was wäre also für und heute passend an dieser Stelle? Was ist heute das Brot des Lebens? Was ist unsere Lebensgrundlage? Die wir brauchen, aber nicht im Überfluss da ist. Ein bisschen, dass es gerade reicht, aber eigentlich nicht genug. Was ist Jesus Christus für uns, als was brauchen wir ihn gerade jetzt?
Ich denke das können wir alle nur für uns alleine beantworten. Für mich würde das wahrscheinlich momentan so aussehen: „Ich bin deine Freunde und deine Familie, (und der Kontakt zu ihnen).“
 
Wie ist es bei Ihnen? Jesus = ? Was brauchen Sie momentan als Brot des Lebens? Denken Sie darüber nach und schreiben Sie es vielleicht sogar hier auf:
 
„Ich bin dein __________________ des Lebens!“
 
Amen

Titus Lensch, Lektor in der Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem 

Quelle: pixabay

Kinder des Lichts

Vielleicht muss man gar nicht Leuchtturm sein.
Leuchttürme sind oft sehr beeindruckend. Erhaben und schön. Und sind nützlich.
Helfen, den richtigen Weg zu finden. Sind Licht in der Finsternis.
Aber Leuchttürme sind auch einsam. Den Elementen ausgesetzt. Wind und Wetter.
Ungeschützt und unübersehbar.
 
Vielleicht muss man gar nicht Leuchtturm sein, wenn es heißt: Wandelt als Kinder des Lichts. Vielleicht geht es vor allem darum, aus dem Dunkel zu treten. Der Finsternis entkommen. Dem falschen Leben.
 
Leben wir denn so falsch? Bemühen wir uns nicht? Um Freundlichkeit. Anständigkeit. Aufrechten Gang. Versuchen wir nicht, uns einzusetzen? Für andere. Für…
 
Ihr wart früher Finsternis, nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
 
Ach, wir kennen unsere Finsternisse selbst am besten. Und nicht nur die von früher. 
Die Dinge, die falsch laufen, die uns nicht gelingen. Unsere gut gehüteten Geheimnisse.
 
Jetzt (oder schon immer) sind wir Licht. Ob wir wollen oder nicht. Erleuchtet. Ob wir das merken oder nicht.
 
Die im Dunkeln sieht man nicht, die im Hellen aber sehr wohl.
Danach sehnt man sich nicht immer: Ständig im Blick zu sein. Betrachtet, beobachtet zu werden. Und selbst für Erhellung, für Orientierung sorgen zu sollen. Wie ein Leuchtturm.
 
Manchmal ist das Licht zu grell. Manchmal will man zu sehr strahlen. Und merkt nicht, wie man anderen die Sicht nimmt. Man steht im Scheinwerferlicht, wird gesehen und sieht nichts mehr.
 
Wie wohltuend ist da manchmal das Dunkel. Die Ruhe. Für sich sein. Nichts tun müssen.
 
Aber es gibt auch das andere Dunkel. In dem gemunkelt wird. Wo Menschen unter die Räuber fallen. Wo man sich verirrt.
 
Sehnsucht nach Licht. Das Licht scheuen. Das kennen wir beides. Kinder der Nacht und Kinder des Lichts.
 
Wandelt als Kinder des Lichts. Das ist leicht gesagt. Sollen wir Vorbilder sein? Mehr als Leuchttürme sogar? Nicht nur den Weg weisen, sondern selbst den Weg gehen?
 
Ach, das heißt dann oft, schon mehr sein zu sollen als wir sind. Gütig, gerecht und wahr! Dabei stolpern wir durch’s Leben, so gut es geht. Bemühen uns. Manchmal mit Erfolg. Nicht immer. Mit all unserem guten Willen – stoßen wir an Grenzen.
 
Vorbilder!
Vielleicht ist das gar nicht so groß gedacht.
Nicht so, dass wir perfekt sein müssten. Sondern beunruhigt, wenn niemand mehr die beachtet, die ins Dunkel gedrängt sind. Wenn die Finsternis überhandnimmt.
Aber nicht, dass wir dann so tun, als ob wir allein wüssten, wie man die vertreibt.
 
Wir sind Licht. Aber wir sind es nicht allein. Wir Christinnen und Christen.
Auch andere kennen die Nacht und den Tag. Auch andere haben gute Gedanken und guten Willen. Auch andere kämpfen und lieben. Auch andere decken die Niedertracht, die missbrauchte Macht und die Verdummung auf und streben nach Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
 
Das ist gut zu wissen: Wir sind nicht allein. Aber wir schleppen das immer noch mit uns wie eine Last: Dass unser Licht heller, wärmer, wahrer sei.
 
Die Kirche (also wir, irgendwie) wusste oft sehr genau, was richtig und was falsch war. Hat die, die sich scheinbar im Schatten hielten, ans Licht zu zerren und zu bekehren versucht. Hat die, die ihr eigens Licht brachten, Licht der Aufklärung, gern verteufelt. Und hat das Licht, das ihr anvertraut war, manches Mal auf’s Spiel gesetzt.
 
Wir sind erleuchtet.
Aber es geht nicht darum, ob unser Licht besser und das der anderen schlechter ist, wenn wir im Licht wandeln sollen. Es geht um die Frucht des Lichts, und die wächst offensichtlich nicht nur in der Kirche, mitunter eher anderswo.
 
Vielleicht sollte es darum heißen: Verliert nicht den Anschluss, sondern erinnert euch an euren Auftrag, im Licht zu wandeln, zusammen mit allen, die suchen, die guten Willens sind. Und auch mit denen, die sich verirrt haben, verloren zu gehen drohen.
 
Lasst uns also unser Licht hüten, ohne andere damit zu blenden.
Lasst uns unser Licht nicht verbergen, sondern damit zeigen, wo wir sind.
Ohne damit zu behaupten, dass das der einzig wahre Platz, die einzig richtige Richtung ist. Lasst uns mit allen zusammengehen, die wie wir mit ihrem besonderen Licht unterwegs sind – zu Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
 
Ihr wart früher Finsternis, nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
(Epheser 5, 8 und 9)

 Pastor Uwe Siemers-Ziegler, St.-Johannes-Gemeinde Davenstedt, uwe.siemers-ziegler@evlka.de