Predigt am 2. Sonntag nach Trinitatis, 18. Juni 2023, in Ahlem

Fri, 23 Jun 2023 18:21:14 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

(Predigttext: Lukas 14,15-24 = Evangeliumslesung)

Liebe Gemeinde!

Wir werden Zeuginnen und Zeugen eines Schauspiels in drei Akten. Ort: nahe bei Jerusalem. Zeit: um 20 nach Christus

Erster Akt

Eines Abends schaut der Hausherr in seinen Kalender und findet einen Termin für das große Festessen, das er veranstalten wolle. Es ist ein Samstag Abend im August. Er kreist das Datum in seinem Kalender rot ein und holt seine Angestellten zusammen – er ist ein wohlhabender Mensch.

Er berät sich mit ihnen: Wer soll alles eingeladen werden? Familie und Freunde selbstverständlich, ein paar alte Kollegen dazu. Sie kommen auf ungefähr 30 Personen.

„Was wird denn gefeiert?“ fragt der Koch. Der Hausherr antwortet: „Das Leben! Vor kurzem ist wieder jemand aus meinem Bekanntenkreis gestorben. Da ging mir ein Licht auf: Jeder Tag ist ein Geschenk. Jedes Gespräch ist ein Geschenk. Jedes gemeinsame Essen ist ein Geschenk. Ich möchte allen meinen Lieben zeigen, dass auch sie ein Geschenk sind! Darum das große Festessen.“ „Aha“ sagt der Koch, „dann schlage ich eine leckere Suppe als Vorspeise vor gefolgt von einer Platte mit verschiedenen Sorten Fleisch und Gemüse. Zum Nachtisch einen feinen Obstsalat mit Feigen, Äpfeln, Nüssen und Trauben. Dazu Wein.“

„Das klingt gut“, sagt der Hausherr, „so machen wir das.“ Ein paar seiner Leute bekommen den Auftrag, die Tische zu dekorieren, und sie gehen mit viel Herzblut und Mühe ans Werk.

Andere übernehmen die Einladung. Zwei Wochen vor dem Fest bringen sie die Einladung zu allen, die auf der Liste stehen. Die Spannung steigt, die Vorfreude auch!

Das ist der erste Akt unseres Schauspiels, liebe Gemeinde. Bei uns läuft das ein wenig anders. wer von uns hat schon so viele Angestellte und einen eigenen Koch? Wir sitzen selbst am Tisch und planen mit der Familie oder Freunden. Oder wir gehen in ein Restauran, reservieren einen Tisch, suchen ein Menü aus. Aber alles andere kommt mir sehr bekannt vor – besonders die Vorfreude auf das Ereignis. Nun jedoch der zweite Akt.

Zweiter Akt

Auf die Einladung zum Festessen bekommt der spendable Hausherr eine Absage nach der anderen. „Ich kann leider nicht kommen .... und dann viele gute Gründe. Einer schreibt, dass er gerade geheiratet hat....

Der Hausherr wird immer mutloser. Haben ihn denn die Eingeladenen nicht verstanden? Wollen Sie etwa das Leben nicht feiern?? Und was heißt schon, ich kann nicht kommen, weil ich geheiratet habe. Gerade dann muss man doch mit anderen Menschen Kontakt halten. Ein anderer schrieb, er ist dabei, ein Haus zu bauen. Wie schön, aber sollte er sich nicht mal eine Pause gönnen von all den Rechnungen und den Pannen auf der Baustelle und den Sorgen, ob auch alles klappt? Und dem, der nicht kommen kann, weil er ein Grundstück kaufen will, würde er gerne sagen: Kannst du denn an gar nichts Anderes mehr denken?

Der Hausherr holt seine Leute zusammen. „Ich will ganz offen zu euch sein“, sagt er. „Hört euch an, was die Gäste, die eine Einladung bekommen haben, mir antworten“ und liest einige Absagebriefe vor. Seine Leute sind enttäuscht und werden ärgerlich. Sie sind sich einig: „Wir sagen das Essen ab. Das Fest fällt aus!“

Ja, liebe Gemeinde, so etwas kann passieren. Aber es ist schwer zu verkraften für die, die sich so viel Mühe gegeben haben! Gerade in unserer Zeit erleben wir das so oft: Menschen verschwinden ganz in ihrer bubble, in ihrer Blase. Viele sind so von sich selbst und ihren Plänen und Sorgen erfüllt, dass sie einander gar nicht mehr sehen. Vielleicht auch nicht sehen können. Die Vereinzelung und die Einsamkeit nehmen zu. In Großbritannien gibt es sogar ein eigenes Ministerium, das sich mit Einsamkeit befasst und nach Wegen sucht, ihr zu entkommen.

Trotz aller Absagen: Ist Aufgeben, Absagen des Festes eine Lösung?

Dritter Akt.

Der Hausherr sitzt allein am Tisch. Die anderen sind gegangen. Was soll nun werden? Alles absagen? Er fasst einen Entschluss: Nein, das Fest wird nicht abgesagt! Das Fest findet statt! Denn das Fest des Lebens ist ein Fest für alle. Nicht nur für den Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis.

Wenn die Eingeladenen nicht wollen, gibt es vielleicht andere, die so ein Fest sogar dringend brauchen!? Eine reichliche, liebevoll zubereitete Mahlzeit. Ein nettes Gegenüber an einer festlichen Tafel! Eine Pause von den Sorgen, die kaum noch auszuhalten sind.

Der Hausherr ruft seine Angestellten zusammen und verkündet: „Unser Fest des Lebens findet statt! Geht raus und holt alle, die ihr auf der Straße, auf dem Marktplatz, unter der Brücke und wo auch immer findet! Ladet sie ein, bringt sie hierher und lasst uns mit ihnen allen feiern!"

Das tun sie. Und das Haus wird voll. Voller Menschen. Voller Freude und Dankbarkeit. Voller Genuss und Wärme. Voller Stimmen und Lachen und manchmal Weinen.

Ende des Schauspiels, der Vorhang fällt.

Liebe Gemeinde, das Gleichnis vom großen Festmahl, das wir vorhin in der Lesung gehört haben und das ich eben ausgeschmückt habe, lässt sich in viele Richtungen deuten. Für mich ist heute wichtig, dass der Hausherr das Festmahl NICHT abgesagt hat, was ja verständlich gewesen wäre. Das Festmahl findet statt. Anders gesagt: Gott wird seinen Willen durchsetzen. Nicht ein erlauchter Kreis, sondern alle sind eingeladen und alle, die seiner Einladung folgen, werden mit Jesus Christus am Tisch sitzen. Eines Tages – und schon jetzt im Abendmahl. 

Jesus Christus sagt: Gott liebt alle seine Menschen und wendet sich immer besonders denen zu, die ihn brauchen. Macht das genau so. Öffnet euch. Ladet ein. Ich muss angesichts der täglichen Nachrichten und unserer Erfahrungen nicht ausführen, wen das alles meinen könnte. Ja, uns sind Grenzen gesetzt, das Reich Gottes ist noch nicht da, aber es ist angebrochen! Das Fest des Lebens beginnt damit, zu sehen, wer bisher an der Tafel gefehlt hat, und sich für die zu interessieren und zu öffnen, die uns brauchen. 

Das Fest des Lebens wird nicht abgesagt!

Amen.

Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 2. Sonntag n. Trinitatis, 18. Juni 2023, in Ahlem 
Bestätigen

Bist du sicher?