Dr. Johannes Neukirch, Gottesdienst am 14.4.2022 in Ahlem
Predigttext: 1. Korinther 10,16-17
Predigttext: 1. Korinther 10,16-17
Denkt an den gesegneten Becher, über den wir das Dankgebet sprechen: Gibt er uns nicht Anteil am Blut von Christus? Denkt an das Brot, das wir brechen: Gibt es uns nicht Anteil am Leib von Christus? Es ist ein Brot. Deshalb sind wir ein Leib, auch wenn wir viele sind. Denn wir alle essen von dem einen Brot.
Liebe Gemeinde,
Wenn mich jemand fragen würde, wie oft wir eigentlich in unserer Gemeinde Abendmahl feiern, könnte ich nur sagen: da muss ich mal in alten Gemeindebriefen nachschauen oder jemanden fragen.
Ich habe in dieser Gemeinde während der Pandemie angefangen, und seitdem haben wir mehrmals Abendmahl gefeiert, aber nicht mehr regelmäßig. Unser Predigttext lässt mich jedoch nachdenklich werden „Wir sind ein Leib, auch wenn wir viele sind. Denn wir alle essen von dem einen Brot.“
Die Frage ist ja, wie oft sollten wir das denn ganz praktisch machen, von EINEM Brot essen. Wie oft sollten wir uns bewusst machen und erleben, dass wir alle an Christus hängen, dass er uns miteinander verbindet. Ich bin mehrfach von Mitgliedern unserer Gemeinde angesprochen worden, dass sie das regelmäßige Feiern des Abendmahls vermissen, weil es ein Gefühl der Gemeinschaft gibt.
Wie erleben wir Gemeinschaft? Was verbindet uns, was hat die Kraft, Einheit zu stiften, was gibt uns das Gefühl der Einheit und Zusammengehörigkeit?
Ich denke etwa an unsere gemeinsame Sprache, an die Familiengemeinschaften, an das Land in dem wir leben, an die Religionen, an gemeinsame Werte, etwa das Grundgesetz, an den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Weiter gefasst: Europa, die Erklärung der Menschenrechte, die Demokratie, die Charta der Vereinten Nationen.
Das alles sind starke Kräfte, die Einheit und Gemeinschaft herstellen. Sie wirken wie Klammern.
Aber alle diese Klammern, die uns oder besser gesagt: bestimmte Gruppen unter uns, zusammenhalten, können auch wieder ihre Kraft verlieren. Sie sind nicht auf ewig stabil.
Unsere gemeinsame Sprache verbindet uns und trennt manchmal auch wieder. Wir erkennen meistens, ob jemand aus Hamburg oder München kommt, ob jemand einfach oder geschwollen redet, ob sich jemand gut ausdrücken kann oder vielleicht nur mit Gebärden spricht und sich nur schwer verständlich machen kann.
Familien können ganz wunderbare Gemeinschaften sein. In Familien kann es ganz heftige Streitigkeiten und Spaltungen geben, so dass Teile der Familien nicht mehr miteinander reden. Verschiedene politische Meinungen schaffen das, Auseinandersetzungen um das Erbe der Oma ebenfalls und vieles mehr.
Ob wir wirklich alle dieselben viel beschworenen Werte teilen, kann einem auch immer wieder fraglich werden. Und dass es in unserer Gesellschaft tiefe Gräben gibt, ist leider auch wahr. Welcher Lohn ist für welche Leistung gerecht? Wie gerecht ist die kleine Rente, die manche bekommen, nachdem sie mehr als 40 Jahre lang ihren Rücken krumm gemacht haben?
Die Religionen bemühen sich mindestens in unserem Land um ein friedliches Nebeneinander und um gegenseitiges Verständnis, was immer wieder gelingt und immer wieder misslingt. Innerhalb des Christentums gibt es trotz aller ökumenischer Fortschritte nach wie vor Nachholbedarf in der Frage der Gemeinschaft. Und auch innerhalb einer Kirchengemeinde kann es Streit und Zwietracht geben.
Was stiftet eine Gemeinschaft, die stabiler ist als das, was wir kennen?
In der Gemeinde in Korinth gab Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen ohne Ende. Ich stelle mir Paulus wie, wie er da vor seinem Papyrus saß und verzweifelt überlegt hat, was er schreiben soll.. Er hatte sicherlich keine Illusionen über den Zusammenhalt und die Gemeinschaft in Korinth.
Was macht er in dieser Situation? Keine Ermahnungen – obwohl er so was auch kann – keine theologischen Erläuterungen, wie es in einer christlichen Gemeinde aussehen sollte, sondern die Erinnerung an das Abendmahl.
"Denkt an den gesegneten Becher, über den wir das Dankgebet sprechen: Gibt er uns nicht Anteil am Blut von Christus? Denkt an das Brot, das wir brechen: Gibt es uns nicht Anteil am Leib von Christus? Es ist ein Brot.Deshalb sind wir ein Leib, auch wenn wir viele sind.Denn wir alle essen von dem einen Brot."
Im Abendmahl bekommen wir Anteil an Jesus Christus. Das ist eine Klammer, die eine ganz andere Qualität und Wirkung hat als die eben genannten.
Diese Art von Gemeinschaft und Einheit können wir nicht selbst herstellen. Sie ist in Jesus Christus. Er hat durch seinen Tod und seine Auferstehung uns allen eine Verbindung zu dem EINEN Gott hergestellt und uns mit ihm versöhnt. Wir sind in diese Gemeinschaft durch die Taufe hineingenommen worden. An einer Stelle sagt Paulus: In der Taufe wurdet ihr mit ihm – also mit Christus - begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt.
Wir erfahren diese Gemeinschaft mit Gott immer wieder, indem wir von dem einen Brot essen. Wir nehmen dabei sozusagen die Gemeinschaft in uns auf. Wir sind dann EIN Leib, auch wenn wir viele sind.
Diese Gemeinschaft steht über allem, über allen Sprachen, Völkern, Nationen, Bekenntnissen, Zugehörigkeiten. Das Abendmahl schließt uns immer wieder an diese göttliche Kraft der Gemeinschaft an. Und aus dieser Kraft erwachsen wiederum uns neue Kräfte:
Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen – heißt es in unserem Abendmahlslied. / Wir sind, die wir von einem Brote essen, / aus einem Kelche trinken, Jesu Glieder, / Schwestern und Brüder. 2. Wenn wir in Frieden beieinander wohnten, / Gebeugte stärkten und die Schwachen schonten, / dann würden wir den letzten heilgen Willen / des Herrn erfüllen. 3. Ach dazu müsse deine Lieb uns dringen! / Du wollest, Herr, dies große Werk vollbringen, / dass unter einem Hirten eine Herde / aus allen werde.
Dass wir das gleich in unserem Gottesdienst erfahren dürfen, wenn wir jetzt das heilige Abendmahl feiern, was wir in Zukunft wieder regelmäßig tun werden – das wünsche ich uns. Amen.