Gottes roter Faden - Predigt im Gospelgottesdienst am 3.3.2024

Sat, 16 Mar 2024 19:49:51 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Gottes roter Faden

Das ist eine lange Geschichte mit dem roten Faden .... Vor langer langer Zeit war eine Frau namens Tamar mit Zwillingen schwanger, so berichtet es das 1. Buch Mose. Für die Erbfolge war wichtig, welcher Sohn zuerst geboren wurde. Während der Geburt streckte ein Zwilling die Hand aus, und die Hebamme band einen roten Faden daran.

Dann gibt es im alten Griechenland die Geschichte mit dem Ariadnefaden. Ariadne schenkt Theseus ein Wollknäuel, als dieser in ein Labyrinth gehen und mit dem Minotaurus kämpfen muss. Theseus hat den Faden abgerollt, als er in das Labyrinth ging.  Und nur deshalb, nur mit dem Faden, hat er wieder aus dem Labyrinth herausgefunden. 

Johann Wolfgang von Goethe beschreibt in Ottiliens Tagebuch den Kennfaden der britischen Marine: „Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte sind dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten Stücke kenntlich sind, dass sie der Krone gehören. (Offensichtlich wurde da öfters mal geklaut). Ebenso zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden …“. 

Seitdem ist das sprichwörtlich bei uns: Etwas zieht sich wie ein roter Faden durch etwas - wir können ein Grundmotiv, eine Richtlinie, einen leitenden Gedanken, eine durchgehende Struktur oder ein Ziel erkennen.

Haben SIE einen roten Faden in Ihrem Leben? Etwas, woran Sie sich orientieren? 
Was für Fäden könnten das sein?

"Ich lebe nach den zehn Geboten, die ich gelernt habe und helfe jedem, der meine Hilfe braucht“. Das war das Lebensmotto eines Mannes, den ich beerdigt habe. 

Oder, wie eine Frau aus unserer Gemeinde sagte: „Das ist doch alles gar nicht so schwer. Jesus Christus ist für unsere Sünden gestorben, damit wir das ewige Leben haben.“

Oder nehmen wir den Psalmvers, der den Namen des heutigen Sonntags, Okuli, Augen, bestimmt hat: „Meine Augen sehen stets auf den HERRN; denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.“

Das sind doch schon mal drei schöne rote Fäden, die sich durch ein Leben ziehen können. Ich lebe nach festen Regeln, ich hoffe auf den, der mir das Leben gibt, ich schaue auf Gott, wenn ich durchs Leben gehe.

Wenn wir an das Anspiel zu Beginn des Gottesdienstes denken, dann sehen wir, dass das mit dem roten Faden aber nicht immer so einfach ist. Manchmal ist der Faden hauchdünn, so haben wir gehört. Manchmal ist er schwer zu entdecken.

Ja, es gibt Erlebnisse und Erfahrungen, die den roten Faden verschwimmen lassen, vielleicht zerreißt er sogar. Oder ich habe noch gar keinen gefunden! 

Ich bin noch jung, ich möchte eigene Erfahrungen machen, nicht nach den Vorstellungen meiner Eltern oder sonstiger Vorbilder leben, schon gar nicht nach den Vorstellungen der Bibel oder einer Pastorin oder eines Pastors ....

Ich möchte ja einen roten Faden haben, aber es gibt keinen, der mich überzeugt. Ich kann nicht glauben, das ist wie ein Zwangskorsett für mich. Ich habe zu viele Zweifel, ob das alles richtig ist.

Gottes roter Faden? Brauch ich nicht, Ich will meinen eigenen!

Ich hatte mal einen roten Faden, bis ich arbeitslos wurde. Ich hatte mal einen roten Faden, bis die Diagnose kam, die Schmerzen, die Verzweiflung, die Depression. Ich hatte mal einen roten Faden, bis das Unglück passierte, bis mein Kind starb. Ich hatte mal einen roten Faden, bis die Zweifel zu stark wurden.

Schauen wir auf Gottes roter Faden:
Denken wir noch einmal an das Anspiel: Der rote Faden führt zum Taufstein. Das finde ich beeindruckend. Der rote Faden besteht nicht, oder nicht nur, aus Regeln, aus Weisheiten, aus Disziplin oder sonstwas, so verstehe ich das. Der rote Faden führt zu einem Ereignis und geht dann weiter. Die Taufe wird zum roten Faden durch unser Leben. Zu einem Fixpunkt, von dem aus viele verschiedene rote Fäden weiterlaufen.

Ganz am Anfang der Taufe eines Kindes, eines Jugendlichen oder eines Erwachsenen spreche ich einen Satz, vor dem ich großen Respekt habe. Ich gehe zu dem Täufling, zeichne ein Kreuz auf seine Stirn und sage dabei: „nimm hin das Zeichen des Kreuzes. Du gehörst Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen.“

In diesem Satz ist alles enthalten. Der gekreuzigte Christus steht für alles Leid, für alle Schmerzen, für alle Zweifel, denen wir nicht aus dem Weg gehen können. Der auferstandene Christus steht für die Hoffnung, dass wir einem neuen Leben entgegengehn. Entscheidend ist: „du gehörst  Christus“. - Du bist von ihm angenommen, du bist mit ihm verbunden. Du bist ein Kind Gottes.

Gottes roter Faden - das ist die Zusage, dass wir zu Jesus Christus, seinem Sohn gehören. Dass wir mit ihm verbunden sind, im Leben und im Tod. Und dass wir von dem Taufstein aus unsere eigenen, individuellen Lebensfäden entwickeln können. 

Martin Luther ist ein schönes Beispiel dafür, was das bedeutet. Er hatte immer wieder Glaubenszweifel, manchmal ging es ihm schlecht und er wusste nicht, wie es weitergehen soll. Das kennen wir. Er hat dann ein Stück Kreide genommen und auf seinen Tisch die Worte „baptizatus sum“, das heißt: „ich bin getauft“ geschrieben. 

Das kann uns niemand nehmen, daran können wir immer wieder unsere roten Fäden anknüpfen, daran können wir immer festhalten. „Ich bin getauft“, ich bin ein Kind Gottes, ich gehöre zu ihm, er hält mich. Amen.

Dr. Johannes Neukirch, Predigt im Gospelgottesdienst am 3.3.2024 in Ahlem
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