Predigttext: Joh 18,28–19,5
Jesus wird von Pilatus verhört
28 Die Vertreter der jüdischen Behörden brachten Jesus
28 Die Vertreter der jüdischen Behörden brachten Jesus
von Kaiphas zum Sitz des römischen Statthalters,
dem sogenannten Prätorium.
Es war früh am Morgen.
Sie selbst gingen nicht ins Prätorium hinein,
um nicht gegen die Reinheitsvorschriften zu verstoßen.
Sie wollten ja bald darauf am Passamahl teilnehmen.
29 Deshalb kam Pilatus zu ihnen heraus und fragte:
»Welche Anklage erhebt ihr gegen diesen Mann?«
30 Sie gaben ihm zur Antwort:
»Wenn er kein Verbrecher wäre,
hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert!«
31 Pilatus entgegnete ihnen: »Nehmt ihr ihn doch
und verurteilt ihn nach eurem eigenen Gesetz.«
Da sagten die Vertreter der jüdischen Behörden:
»Wir dürfen aber niemanden hinrichten!«
32 So ging das Wort in Erfüllung,
mit dem Jesus vorausgesagt hatte,
welchen Tod er sterben musste.
33 Pilatus ging wieder in das Prätorium hinein.
Er ließ Jesus rufen und fragte ihn:
»Bist du der König der Juden?«
34 Jesus antwortete: »Fragst du das von dir aus
oder haben andere dir das über mich gesagt?«
35 Pilatus erwiderte: »Bin ich etwa ein Jude?
Dein Volk und die führenden Priester
haben dich zu mir gebracht. Was hast du getan?«
36 Jesus antwortete:
»Das Reich, dessen König ich bin,
stammt nicht von dieser Welt.
Wenn mein Reich von dieser Welt wäre,
hätten meine Leute für mich gekämpft.
Dann wäre ich jetzt nicht
in den Händen der jüdischen Behörden.
Aber mein Reich stammt eben nicht von dieser Welt.«
37 Pilatus fragte weiter: »Also bist du doch ein König?«
Jesus antwortete: »Du sagst es: Ich bin ein König!
Das ist der Grund, warum ich geboren wurde
und in die Welt gekommen bin:
Ich soll als Zeuge für die Wahrheit eintreten.
Jeder, der selbst von der Wahrheit ergriffen ist,
hört auf das, was ich sage.«
38 Da fragte Pilatus ihn:
»Wahrheit – was ist das?«
Jesus wird zum Tod verurteilt
Nach diesen Worten ging Pilatus wieder
zu den Vertretern der jüdischen Behörde hinaus.
Er sagte: »Ich halte ihn für unschuldig.
39 Es ist aber üblich, dass ich euch zum Passafest
einen Gefangenen freigebe.
Wollt ihr,
dass ich euch den König der Juden freilasse?«
40 Da schrien sie: »Nein, nicht den, sondern Barabbas!«
Barabbas war aber ein Verbrecher.
19 1 Daraufhin ließ Pilatus Jesus abführen
und auspeitschen.
2 Die Soldaten flochten eine Krone aus Dornenzweigen
und setzten sie ihm auf den Kopf.
Sie hängten ihm einen purpurroten Mantel um.
3 Dann stellten sie sich vor ihn hin und riefen:
»Hoch lebe der König der Juden!«
Dabei schlugen sie ihm ins Gesicht.
4 Pilatus ging wieder zu den Leuten hinaus und sagte:
»Ich lasse ihn zu euch herausbringen.
Ihr sollt wissen, dass ich ihn für unschuldig halte.«
5 Jesus kam heraus.
Er trug die Krone aus Dornenzweigen
und den purpurroten Mantel.
Pilatus sagte zu den Leuten:
»Seht her! Da ist der Mensch!«
Liebe Gemeinde,
tja, nun kann er nicht mehr, unser Ministerpräsident Stephan Weil. Er hat in der Tat einen extrem anstrengenden Job mit unzähligen Terminen und Sitzungen. Trotzdem finde ich es schade, dass er abtritt. Wenn er in einer Diskussion etwas sagte, hatte ich meistens das Gefühl: ja, das ist vernünftig. Er war nie - oder sagen wir mal vorsichtshalber: selten - populistisch unterwegs. Er hatte und hat die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten im Blick, zum Beispiel im „Bündnis Niedersachsen packt an“.
Ich denke, das ist sehr klug von ihm, sich nicht an die Macht zu klammern, wie andere das manchmal tun. Offensichtlich hat er gemerkt, dass seine Kräfte weniger werden. Vor den Mikrofonen hat er ja gesagt, dass er unter Schlafstörungen leidet und dass ihn das Amt viel Kraft gekostet hat.
Der Ministerpräsident spricht öffentlich über seine Schwachheit. Das ist nicht selbstverständlich. Wenn wir kurz vor einer Landtagswahl stünden, hätte er das wohl nicht getan. Wer wählt schon einen schwachen Menschen in ein so wichtiges Amt? Jetzt, bei der Ankündigung die Bühne zu verlassen, kann er das sagen: Ich kann nicht mehr. Ich klammere mich nicht an die Macht. Ich gebe das Amt ab.
Diese Szene, die Ankündigung des Rücktritts, zeigt uns sehr deutlich, was in unserer Gesellschaft zählt: Stärke. Selbst im Augenblick des Rücktritts Haltung zeigen. In dem Augenblick, in dem solche Persönlichkeiten Schwäche zeigen, sind sie weg von der politischen Bühne und müssen ein anderes Leben anfangen. Sie müssen ein Leben finden, in dem sie ihre Bedeutung woanders herbekommen als von Wahlergebnissen, Reden, Ausübung von Macht. Das ist nicht so ganz einfach. Nebenbei: Das geht selbstverständlich nicht den wichtigen Menschen so, sondern vielen, die ihr berufliches Leben beenden und in den Ruhestand gehen.
Jesus verlässt die Bühne.
Ich weiß, das ist jetzt ein großer Sprung von Stephan Weil zu Jesus und selbstverständlich vergleiche ich die beiden nicht miteinander. Aber es gibt einen Vergleichspunkt: Schwäche zulassen.
Jesus verlässt die Bühne. Er war bekannt, für viele Menschen ein Promi, er hat geheilt, gepredigt, sogar einen Menschen von den Toten auferweckt.
Aber da war noch mehr. Nachdem das Königreich Israel untergegangen war, hofften die Menschen darauf, dass Gott einen Nachkommen von König David als Retter und Erlöser Israels schicken würde. Einen neuen, mächtigen, starken König der Juden, der die Römer als Besatzungsmacht vertreibt.
Dieses Etikett "König der Juden" hing an Jesus, ob er das wollte oder nicht. Pontius Pilatus, Verwalter der römischen Provinzen Judäa und Samaria, also ein hoher römischer Beamter, fragt ihn: "Bist du der König der Juden?" Er wollte wissen, warum die jüdischen Behörden ihm Jesus gebracht haben.
Jesus antwortete: »Fragst du das von dir aus
oder haben andere dir das über mich gesagt?«
35 Pilatus erwiderte: »Bin ich etwa ein Jude?
Dein Volk und die führenden Priester
haben dich zu mir gebracht. Was hast du getan?«
36 Jesus antwortete:
»Das Reich, dessen König ich bin,
stammt nicht von dieser Welt.
Wenn mein Reich von dieser Welt wäre,
hätten meine Leute für mich gekämpft.
Dann wäre ich jetzt nicht
in den Händen der jüdischen Behörden.
Aber mein Reich stammt eben nicht von dieser Welt.«
37 Pilatus fragte weiter: »Also bist du doch ein König?«
Jesus antwortete: »Du sagst es: Ich bin ein König!
Das ist der Grund, warum ich geboren wurde
und in die Welt gekommen bin:
Ich soll als Zeuge für die Wahrheit eintreten.
Jeder, der selbst von der Wahrheit ergriffen ist,
hört auf das, was ich sage.«
38 Da fragte Pilatus ihn:
»Wahrheit – was ist das?«
Liebe Gemeinde,
ja was nun - ist er nun ein König oder nicht?
Ja, aber anders als wir das erwarten.
ja was nun - ist er nun ein König oder nicht?
Ja, aber anders als wir das erwarten.
Er lässt Schwäche zu. Er lässt sich auspeitschen, er lässt es zu, dass sein Königsein verhöhnt wird - mit einer Krone aus Dornen und einem purpurroten Mantel, also einem Mantel mit einer sehr kostbaren Farbe - den hatten nur mächtige Leute. Er lässt sich ins Gesicht schlagen.
"Das Reich, dessen König ich bin, stammt nicht von dieser Welt" sagte Jesus. Ich bin ein König, aber in einem anderen Sinn.
Ich zeige euch, dass mein Vater, Gott, auf der Seite der Schwachen steht. Dass er sich der Gewalt aussetzt. Er steht auf eurer Seite, auf der Seite der Menschlichkeit. Dort, wo Menschen friedlich miteinander umgehen, wo sie Liebe zeigen, wo sie den Mut haben, die Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Ich vertrete eine Königsherrschaft in einem Reich der Liebe und des Friedens.
Als Pilatus Jesus sieht, mit der Dornenkrone, blutig, sagt er "Seht her! Da ist der Mensch!". („Ecce Homo“) Vielleicht hat er trotz allem begriffen, dass Gott tatsächlich voll und ganz in diesem Menschen Jesus ist. Und dass Gott uns damit zeigen will, was wahres Menschsein ist.
Liebe Gemeinde, wir singen jetzt gleich ein Lied, das in unserem Gesangbuch unter den Adventsliedern steht. Es passt aber voll und ganz. Und es ist spannend zu sehen, wie hier Advent und Passion zusammenkommen. Es heißt: "Dein König kommt in niedern Hüllen." Da ist von dem mächtigen Herrscher ohne Heere die Rede, und von dem gewaltigen Kämpfer ohne Speere, von dem Friedefürst mit großer Macht. Bis hin zu der schönen Formulierung: Dein Reich ist nicht von dieser Erden, doch aller Erde Reiche werden dem, das du gründest, untertan.
Und dann werden wir angesprochen:
Bewaffnet mit des Glaubens Worten zieht deine Schar nach allen Orten der Welt hinaus und macht dir Bahn.
Ja, das ist es, womit wir uns in der Passionszeit auseinandersetzen müssen, was wir vielleicht gar nicht hören wollen, was aber wahr ist: "Dein König kommt in niedern Hüllen." Und manchmal ist es auch so, dass wir das aushalten müssen!
Ja, wir werden bald auch wieder fröhliche Osterlieder singen und darüber jubeln, dass Jesus Christus auferstanden ist und den Tod besiegt hat.
Aber für uns, die wir noch hier in dieser Welt mit Krisen und Kriegen leben müssen - ist es da nicht tröstlich zu wissen: Unser Gott teilt unsere Schwachheit, unsere Verletzlichkeit, begibt sich in das Leid. Er ist gerade dann da, wenn wir uns von ihm verlassen fühlen.
Amen.
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 6.4.2025 in Hannover-Ahlem
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 6.4.2025 in Hannover-Ahlem