Predigt aus dem Gottesdienst am 26. März 2023 in Ahlem

Tue, 28 Mar 2023 18:56:59 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Hebräer 5,7-10 (Basisbibel)
7 Als Jesus hier auf der Erde lebte, brachte er seine Gebete und sein Flehen vor Gott – mit lautem Rufen und unter Tränen. Denn der konnte ihn vom Tod retten. Und wegen seiner Ehrfurcht vor Gott ist er erhört worden.
8 Obwohl er der Sohn war, hat er es angenommen, wie ein Mensch durch Leiden Gehorsam zu lernen. 
9 So wurde er zur Vollendung gebracht. Seitdem ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber ihrer ewigen Rettung geworden.
10 Gott nannte ihn ja »Hohepriester, wie Melchisedek« es war.

Liebe Gemeinde,

trotz aller technischen Hilfsmittel, die wir heutzutage haben, können wir nicht mit Gott telefonieren, eine Videokonferenz machen oder ihn sonstwie mit elektronischen Mitteln direkt erreichen. Wir können mit unseren Weltraumteleskopen unglaublich weit ins All schauen. Es ist jetzt bald ein Jahr her, dass uns die ersten Bilder des James-Webb-Weltraumteleskops erreichten, und das sind faszinierende Aufnahmen von Milliarden Sternen und Galaxien. Eine der Aufgaben des Teleskops ist es, sich auf die Suche nach den ersten leuchtenden Objekten und Galaxien zu machen, die nach dem Urknall vor 13 Milliarden Jahren entstanden sind. Das ist ja so eine Art Suche nach Gott, nach den allerersten Anfängen. Irgendwie scheint in uns die Sehnsucht nach Kontakt mit irgendwas oder irgendwem da draußen groß zu sein. 

Was machen wir, wenn wir mit Gott, dem Schöpfer der Welt und Herrn über Leben und Tod -  wie wir sagen -, reden wollen? Wie erreichen wir ihn? Ganz klar: wir antworten darauf: durch das Gebet. Aber da bleiben große Unsicherheiten: Hört er uns? Wie antwortet er? Will er überhaupt mit uns etwas zu tun haben? Steht etwas zwischen ihm und uns?

Rückblick: Es gab in Jerusalem zur Zeit Jesu einen besonderen Ort, an dem Gott für den Glauben der Menschen gegenwärtig war, den Tempel. Dort wurden Gott jeden Tag Opfer dargebracht, zum Beispiel Tiere, Pflanzen oder Weihrauch. Die Opfer sollten Kontakt mit Gott herstellen und Gemeinschaft mit ihm schaffen. Die Priester des Tempels haben die Opfer oder Teile davon in der Regel auf dem Altar verbrannt. Sie waren die Vermittler, die Kontaktpersonen für Gott.

Unter den Priestern gab es einen besonderen Chefposten, das Amt des Hohen Priesters. Der Hohepriester leitete am großen Versöhnungstag im Jerusalemer Tempel den Gottesdienst, in dem die Sünden beseitigt werden sollten, die trennend zwischen Gott und den Menschen standen. Er war also der wichtigste Mittler zwischen Gott und den Menschen. Er konnte die Trennung zwischen dem heiligen Gott und den sündigen Menschen überwinden und den Weg frei machen.

Liebe Gemeinde, der Verfasser des Hebräerbriefs, aus dem unser Predigttext stammt, sieht Jesus als neuen Hohen Priester. Er sagt (ein paar Verse vor unserem Text), dass Gott seinem Sohn die Würde verliehen hat, Hoherpriester zu werden. Und am Schluss unseres Textes heißt es noch mal „Gott nannte ihn“ – gemeint ist Jesus  - „‚Hohepriester, wie Melchisedek es war‘“. Von Melchisedek ist überliefert, dass er sehr mächtig war. 

Jesus schlüpft also in die Rolle des Hohenpriesters. Wie gesagt, in diesem Amt soll man den Kontakt zu Gott aufbauen, ihn erreichen und Gemeinschaft mit ihm herstellen! Dazu muss man in der Lage sein, alles Trennende zwischen Gott und den sündigen Menschen beiseite zu räumen. 

Wie wir wissen, hat sich Jesus nun aber nicht wie die Priester hingestellt und die Opfer der Menschen auf dem Altar verbrannt. Denn er hat ja nicht einfach ein Amt übernommen, sondern hat die Aufgabe des Hohenpriesters als Sohn Gottes ein für alle Mal zu Ende gebracht. Er hat, wie es heißt, „ein einziges Opfer für alle Sünden dargebracht“ – und das war er selbst. Er ist ans Kreuz gegangen und hat damit alle weiteren Opfer überflüssig gemacht. In unserem Text heißt es: „Obwohl er der Sohn war, hat er es angenommen, wie ein Mensch durch Leiden Gehorsam zu lernen. So wurde er zur Vollendung gebracht. Seitdem ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber ihrer ewigen Rettung geworden.“

Er hat, so können wir sagen, dafür gesorgt, dass Gott uns und wir Gott direkt erreichen können. Wir brauchen niemanden mehr, der für uns Opfer verbrennt und zwischen Gott und uns vermittelt, da der Sohn Gottes, Jesus Christus, selbst zum Vermittler geworden ist.

Können wir uns nun zurücklehnen und sagen, alles prima, die Kommunikation steht? Ich denke, dass unsere persönlichen Erfahrungen das nicht zulassen. Wir kennen auch die Momente des Zweifels und der Gottverlassenheit. Wir fragen uns, warum denn unsere Gebete scheinbar nicht erhört werden – die Gebete, die nach dem Ende der Kriege und der Gewalt rufen; die Gebete, die um Brot und Wasser für so viele Menschen bitten; die Gebete, die uns vor Krankheit, Trauer, Einsamkeit schützen sollen. Wo bleibt da der mächtige Hohepriester, der sein Leben für uns gegeben hat?

„Als Jesus hier auf der Erde lebte,“, so der Anfang unseres Textes, „brachte er seine Gebete und sein Flehen vor Gott – mit lautem Rufen und unter Tränen. Denn der konnte ihn vom Tod retten. Und wegen seiner Ehrfurcht vor Gott ist er erhört worden.

Obwohl er der Sohn war, hat er es angenommen, wie ein Mensch durch Leiden Gehorsam zu lernen.“

Jesus hat selbst gelitten. Wir können in unserem Leid nur wie er beten und flehen und laut rufen. Tränen bleiben uns nicht erspart. Entscheidend ist, dass wir gehorsam sind, was so viel heißt wie: Wir bleiben an ihm und seinem Vater dran, wir bleiben ihm treu. Denn er ist bei uns. Er versteht unser Leid und leidet mit uns mit, weil er selbst gelitten hat und ganz Mensch war.

Gleichzeitig war aber beim Hohepriester Jesus, gleichzeitig Mensch und Sohn Gottes, alles ganz anders als bei allen Hohepriestern zuvor. Gott konnte ihn vom Tod retten heißt es in unserem Text und „so wurde er zur Vollendung gebracht“. Ja, Gott hat seinen Sohn, unseren Hohepriester, unseren Vermittler  vom Tod auferweckt und auferweckt. Er sitzt zur Rechten Gottes, auf dem Ehrenplatz.Das bedeutet für uns: „Seitdem ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber ihrer ewigen Rettung geworden.“ Er hat für uns den Tod überwunden und wir werden von ihm das ewige Leben bekommen. 

Deshalb heißt es gegen Ende des Hebräerbriefs: „Wir wollen unbeirrt an der Hoffnung festhalten, zu der wir uns bekennen. Denn Gott, auf dessen Versprechen sie beruht, ist treu. Und wir wollen uns umeinander kümmern und uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Taten anspornen.“ 

Amen

Dr. Johannes Neukirch, Predigt im Gottesdienst in Ahlem am 26. März 2023 
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