Predigttext: Offenbarung 3,14-22
Liebe Gemeinde,
Pamukkale in der Türkei kenne ich nur von Fernsehbildern. Vielleicht waren Sie ja mal dort! Dieser Ort ist wegen seiner heißen Quellen und den in Jahrtausenden durch Ablagerungen entstandenen Kalkterrassen berühmt. Im Tal davor lag die Stadt Laodizea, von der nur noch Ruinen übrig sind. Es war eine reiche Stadt mit Bankiers, Goldschmieden und Färbern, die Gewänder aus Purpur produzierten. Die Goldschmiede verkauften kleine Götterstatuen an die Pilger. Diese versenkten sie in ein Becken von Pamukkale, aus dessen Wasser eine Augensalbe gegen den Grauen Star angerührt wurde.
Wie wir gleich in unserem Predigttext hören werden, war auch die christliche Gemeinde in Laodizea wohlhabend. Und offensichtlich gefährdete der Reichtum das Selbstverständnis der Gemeinde, ihre Identität, den Kern des Glaubens. Jemand schrieb: „Die Christen von Laodizea hatten es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht.“
Jedenfalls ist das die Sicht des Autors unseres Textes aus der Offenbarung. Verfasser ist Johannes, wobei wir nicht wissen, wer dieser war. Aber er versteht sich in der Tradition der alttestamentlichen Propheten, was seinen Stil zu schreiben erklärt, der für unsere Ohren etwas fremd ist. Eine Erklärung noch zum ersten Vers, da heißt es: „Schreib an den Engel der Gemeinde in Laodizea“. Der Engel der Gemeinde wird verstanden als ihr Stellvertreter im Himmel. Johannes bekommt also den Auftrag, an den Stellvertreter der Gemeinde zu schreiben und damit an die Gemeinde selbst.
Nun also der Predigttext für den ersten Sonntag im Advent, Offenbarung, Kapitel 3:
14 »Schreib an den Engel der Gemeinde in Laodizea: ›So spricht der, der das Amen ist, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang von Gottes Schöpfung:
15 Ich kenne deine Taten. Du bist weder kalt noch heiß. Ach, wärst du doch kalt oder heiß!
16 Doch du bist lauwarm, weder heiß noch kalt. Darum will ich dich aus meinem Mund ausspucken.
17 Du sagst: Ich bin reich, habe alles im Überfluss und mir fehlt es an nichts. Dabei weißt du gar nicht, wie unglücklich du eigentlich bist, bedauernswert, arm, blind und nackt.
18 Ich gebe dir einen Rat: Kauf Gold von mir, das im Feuer gereinigt wurde. Dann bist du wirklich reich! Und kauf weiße Kleider, damit du etwas anzuziehen hast. Sonst stehst du nackt da und musst dich schämen! Kauf außerdem Salbe und streich sie auf deine Augen. Denn du sollst klar sehen können!
19 Alle, die ich liebe, weise ich zurecht und erziehe sie streng. Mach also Ernst und ändere dich.
20 Hör doch! Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihm das Mahl einnehmen und er mit mir.
21 Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, der soll neben mir auf meinem Thron sitzen – so wie auch ich den Sieg errungen habe und neben meinem Vater auf seinem Thron sitze.‹
22 Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören, was der Geist Gottes den Gemeinden sagt!«
14 »Schreib an den Engel der Gemeinde in Laodizea: ›So spricht der, der das Amen ist, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang von Gottes Schöpfung:
15 Ich kenne deine Taten. Du bist weder kalt noch heiß. Ach, wärst du doch kalt oder heiß!
16 Doch du bist lauwarm, weder heiß noch kalt. Darum will ich dich aus meinem Mund ausspucken.
17 Du sagst: Ich bin reich, habe alles im Überfluss und mir fehlt es an nichts. Dabei weißt du gar nicht, wie unglücklich du eigentlich bist, bedauernswert, arm, blind und nackt.
18 Ich gebe dir einen Rat: Kauf Gold von mir, das im Feuer gereinigt wurde. Dann bist du wirklich reich! Und kauf weiße Kleider, damit du etwas anzuziehen hast. Sonst stehst du nackt da und musst dich schämen! Kauf außerdem Salbe und streich sie auf deine Augen. Denn du sollst klar sehen können!
19 Alle, die ich liebe, weise ich zurecht und erziehe sie streng. Mach also Ernst und ändere dich.
20 Hör doch! Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihm das Mahl einnehmen und er mit mir.
21 Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, der soll neben mir auf meinem Thron sitzen – so wie auch ich den Sieg errungen habe und neben meinem Vater auf seinem Thron sitze.‹
22 Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören, was der Geist Gottes den Gemeinden sagt!«
Deutliche Worte: die Gemeinde sei lau, langweilig, obwohl sie sich sicherlich selbst interessant und hip findet. Sie sei arm, obwohl sie reich ist, unglücklich, obwohl es doch anscheinend allen so gut geht, blind, obwohl sie eine Augensalbe herstellt, nackt, obwohl sie für ihre purpurnen Gewänder berühmt ist.
Eine Gardinenpredigt, eine Mahnung in der Tradition der Propheten, mit einer drastischen Warnung: „Du bist lauwarm, weder heiß noch kalt. Darum will ich dich aus meinem Mund ausspucken“ (was immer das heißen mag....) und die Aufforderung: „Mach also Ernst und ändere dich.“
Wie hören Sie das, liebe Gemeinde?
Also ich dachte erst einmal: Ich hätte mir einen Predigttext gewünscht, der besser zum Beginn des Advents passt, zu den Lichtern, der irgendwie Wärme ausstrahlt. Und ich schaute schon mal, ob ich nicht über einen anderen Text predigen kann. Außerdem dachte ich: Ok, mag für die Gemeinde in Laodizee gegolten haben, sehe ich aber nicht so drastisch für Ahlem! Wir sind nicht lau, und diejenigen, die dann in die Kirche kommen schon mal gar nicht!
Allerdings singe ich – und vielleicht Sie ja auch - immer wieder mal gerne die zweite Strophe von „Sonne der Gerechtigkeit“, in der es heißt: „Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit“.
Ich bin dann nur wegen eines einzigen Verses bei diesem Text geblieben: „Hör doch! Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihm das Mahl einnehmen und er mit mir.“
Das allerdings, das ist purer Advent! adventus heißt Ankunft – Jesus Christus kommt. „Hör doch! Ich stehe vor der Tür und klopfe an!“
Ich finde es faszinierend, wie in diesem Satz Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereint sind. Das ist das Kennzeichen der Adventszeit – wir schauen zurück auf den Anfang, wir betrachten unsere Gegenwart, wir hoffen auf die Zukunft.
Die Vergangenheit: Christus ist in unsere Welt gekommen. Er hat gelehrt und gepredigt. Er ist den Weg des Leides und Todes gegangen, um uns zu Kindern Gottes zu machen. Gott hat ihn vom Tode auferweckt. Wenn das alles nicht so gewesen wäre, könnte Johannes nicht sagen, Christus steht vor der Tür und klopft an! Dann wäre das ein sinnloser Satz.
Die Gegenwart: Der Engel soll ausrichten: Hör doch! also hör jetzt mal zu! Du Gemeindemitglied in Laodizea oder in Ahlem. Und weiter: Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Das macht er jetzt gerade, in der Gegenwart. Da steht nicht: Eines Tages werde ich zu deiner Tür kommen .... Heute, hier und jetzt, erfahren wir das Ankommen von Jesus an unserer Tür als Wirken des Heiligen Geistes. Als Wirken der Kraft Gottes, die an keine Zeit gebunden ist. Der Heilige Geist ist immer da und klopft an unsere Türen. Wenn wir zum Beispiel das Abendmahl feiern, dann rechnen wir doch fest damit, dass Jesus als Heiliger Geist in unserer Runde dabei ist und Gemeinschaft bringt. „Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihm das Mahl einnehmen und er mit mir.“
Die Zukunft: Eines Tages kommt Jesus wieder, ausgestattet mit aller Macht der Welt. Dann muss er allerdings nicht mehr klopfen und warten, ob jemand die Tür aufmacht. Dann wird es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben. All diese Worte an die Gemeinde in Laodizea und an uns sind doch nur dann sinnvoll, wenn wir damit rechnen, dass es so etwas wie ein Reich Gottes geben wird.
Liebe Gemeinde, diese Verbindung, dieses Miteinander von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft macht die Adventszeit aus. Wir Christinnen und Christen haben ein besonderes Verständnis der Zeit. Wir erinnern an das, was war, und lassen uns Glauben schenken, gleichzeitig leben wir voll und ganz in der Gegenwart und tun die Taten der Barmherzigkeit, das alles ist aber nur möglich in dem Glauben, dass Jesus wiederkommt und eine neue Wirklichkeit schafft.
Die ist jetzt schon da, aber noch nicht ganz. Die Adventszeit will uns in der Spannung der Zeiten halten: Denk an die Ankunft Jesu in unserer Welt als Kind in der Krippe, denk daran, dass er wiederkommen wird mit aller Macht, lebe so in der Gegenwart, dass beides zu spüren ist: Woher wir kommen und wohin wir gehen.
Jesus klopft an unsere Tür, damit er kommt, singen wir: „O Heiland, reiß die Himmel auf, herab herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloß und Riegel für.“
Amen.
Dr. Johannes Neukirch, Predigt im Gottesdienst in Ahlem am 27. November 2022