Predigttext: 5. Mose 4,5-20
Mose spricht zum Volk Israel:
5 Vergesst nicht:
Ich habe euch die Gesetze und Bestimmungen gelehrt,
wie es mir der HERR, mein Gott, befohlen hat.
Handelt danach in dem Land, in das ihr kommt!
Ihr sollt es in Besitz nehmen.
6 Befolgt die Gebote und handelt danach!
Denn darin liegen eure Weisheit und euer Verstand,
was den anderen Völker auffallen wird.
Sie werden von allen diesen Gesetzen hören
und dann über euch sagen:
»Wie weise und vernünftig ist doch dieses große Volk!«
7 Urteilt selbst:
Welches Volk ist ein so großes Volk und hat Götter,
die ihm so nahe sind wie uns der HERR, unser Gott?
Wir beten zu ihm und er hört uns.
8 Welches andere große Volk hat Gesetze und Bestimmungen,
die so gerecht sind wie unsere?
Nur wir haben diese ganze Weisung,
die ich euch heute verkünde.
9 Pass auf, Israel, und achte gut auf dein Leben!
Vergiss die Ereignisse ja nicht,
die du mit eigenen Augen gesehen hast!
Behalte sie ganz fest in deinem Herzen
dein ganzes Leben lang!
Erzähl deinen Kindern und deinen Enkeln davon!
10 Vergiss nicht den Tag,
an dem du vor dem HERRN, deinem Gott, gestanden hast.
Damals, am Horeb, gab er mir den Auftrag:
»Hol mir das Volk zusammen!
Sie sollen hören, was ich selbst ihnen sagen will.
So lernen sie,
mir jeden Tag mit Ehrfurcht zu begegnen,
so lange sie auf der Erde leben.
Das sollen sie auch ihren Kindern beibringen.«
11 Also seid ihr näher gekommen,
bis ihr am Fuß des Berges versammelt wart.
Der Berg stand in Flammen, bis zum Himmel loderten sie.
Ringsum waren Dunkelheit, Wolken und Finsternis.
12 Da redete der HERR, euer Gott, zu euch,
mitten aus dem Feuer hörtet ihr ihn sprechen.
Ihr konntet den Klang seiner Stimme hören,
aber eine Gestalt habt ihr nicht gesehen.
Da war nur diese Stimme.
13 Er verkündete euch seinen Bund,
den ihr halten sollt – die Zehn Worte.
Die schrieb er auf zwei Tafeln aus Stein.
14 Mir befahl der HERR damals,
euch die Gesetze und Bestimmungen zu lehren.
Die sollt ihr im versprochenen Land halten,
in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen.
15 Passt gut auf, achtet auf euer Leben!
Denn ihr habt keine Gestalt gesehen,
als der HERR, euer Gott, zu euch sprach.
Am Horeb sprach er mitten aus dem Feuer.
16 Es wäre verhängnisvoll,
wenn ihr euch ein Bild von Gott macht:
Macht euch keine Nachbildung,
keine männliche oder weibliche Götterfigur!
17 Macht euch kein Abbild
eines Tieres, das auf der Erde lebt,
oder eines Vogels, der am Himmel fliegt!
18 Macht euch auch kein Abbild eines Kriechtieres
oder eines Fisches, der unten im Wasser lebt!
19 Lass dich auch sonst nicht verführen:
Du richtest die Augen Richtung Himmel
und siehst Sonne, Mond und Sterne?
Du siehst das ganze Heer des Himmels?
Dann bete sie nicht an und verehre sie niemals!
Denn der HERR, dein Gott, hat sie anderen gegeben:
Andere Völker unter dem Himmel mögen sie anbeten.
20 Aber der HERR hat euch genommen
und aus Ägypten geführt.
Dieses Land wirkte auf euch wie ein Schmelzofen.
So wurdet ihr Gottes eigenes Volk, sein Eigentum.
Das seid ihr auch heute noch.
Liebe Gemeinde,
meine Frau und ich haben vor ein paar Wochen eine große Aufräumaktion gestartet. Anlass war die Pensionierung meiner Frau. Sie hatte ihr Büro bei uns im Haus, weil sie überregional gearbeitet hat. Und da gibt es nun viel Papier und sonstiges Zeugs, mit dem wir die Wertstoffhöfe der Region beglückt haben. Aber es ist nicht nur das Büro, es sind auch die Garage, der Keller etc. Sie wissen ja: da sammelt sich im Laufe der Zeit so einiges an .... Ab und zu muss man da einfach ran ...
Große Aufräumaktion, das bedeutet: Du nimmst viele Dinge in die Hand, die seit langer Zeit in irgendeiner Ecke friedlich geschlummert haben. Die alte Stereoanlage, die schon lange ersetzt worden ist. Bücher, die man nie gelesen hat. Bastelzeugs von den Freizeiten. Die alte elektrische Eisenbahn aus der Kindheit. Mein Fotolabor, für das ich keine Zeit mehr habe.
Das ist, Sie wissen das wahrscheinlich, harte Arbeit – harte Arbeit für die Seele und das Herz. Denn an den meisten Stücken hängen Erinnerungen. Vor ein paar Tagen hat meine Frau angefangen, alte Briefe durchzusehen und zu ordnen. So etwas ist ein ganz besonderes Ereignis. Da wurden wir an manchen Stellen von den Erinnerungen und Gefühlen geradezu überwältigt, es gab auch ein paar Tränen.
Mir wurde dabei deutlich, wie mächtig Erinnerungen sind! Vieles konnten wir ganz einfach in die Tragetasche stecken und waren froh, als es im Container verschwand. Die Erinnerung war da, aber wir konnten sie in die Rubrik stecken: Darf weg, darf in der Vergangenheit bleiben. Manchmal mussten wir uns aber erst einen Ruck geben. Bei anderen Dingen war klar: Das muss bleiben! Die Erinnerungen, die daran hängen, sind zu kostbar!
Wie wichtig aber auch wie mächtig sind Erinnerungen – gute wie schlechte.
Unser Text handelt nicht von EINER wichtigen Erinnerung, sondern von DER Erinnerung schlechthin, von der kostbarsten Erinnerung überhaupt. Von einem Erinnerungsstück, das niemals weggeworfen werden darf.
„Vergesst nicht“, so beginnt unser Text. Und dieses „vergesst nicht“ zieht sich durch alle Abschnitte. „Pass auf, Israel, und achte gut auf dein Leben! Vergiss die Ereignisse ja nicht, die du mit eigenen Augen gesehen hast! Behalte sie ganz fest in deinem Herzen dein ganzes Leben lang! Erzähl deinen Kindern und deinen Enkeln davon!“
An was soll sich das Volk Israel erinnern?
„Vergiss nicht den Tag, an dem du vor dem HERRN, deinem Gott, gestanden hast.“ heißt es. Gemeint ist die Situation am Berg Horeb, der wahrscheinlich mit Berg Sinai identisch ist. Dort ist Gott erschienen und hat die Zehn Worte, die wir als die zehn Gebote kennen, verkündet. Die wurden dann Mose auf zwei Tafeln aus Stein übergeben. Mit dieser Verkündung der Zehn Gebote hat Gott am Sinai einen Bund mit seinem Volk geschlossen. Das bedeutet: Ich Gott, halte euch die Treue – wenn ihr mir die Treue haltet und die Zehn Gebote einhaltet.
Der Erzähler bezieht sich zwar auf die Erscheinung Gottes vor Mose und dem Volk. Aber er betont, dass Gott keine Gestalt hat. Es geht um das, was Gott sagt. „Denn ihr habt keine Gestalt gesehen,“ heißt es, „als der HERR, euer Gott, zu euch sprach. Am Horeb sprach er mitten aus dem Feuer.“
Und er fährt fort: „Es wäre verhängnisvoll, wenn ihr euch ein Bild von Gott macht: Macht euch keine Nachbildung, keine männliche oder weibliche Götterfigur!“ Das ist wichtig, weil die Völker um Israel herum aus Stein, Ton, Holz oder Metall Götterbilder gemacht haben, die dann angebetet wurden. Andere Völker beteten die Sonne und die Sterne als Gottheiten an.
Nein, es geht um Worte. Wenn wir ein Bild anbeten, dann interpretieren wir nur unsere eigenen Vorstellungen und Wünsche in diese Götterfigur. Hier geht es um Weisungen, um Richtlinien, um Gebote, die unser Leben bestimmen und verändern sollen.
Welche sind das?
„Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.“ so beginnt die Reihe der zehn Gebote. „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht falsch Zeugnis reden sind weitere.
Entscheidend sind dabei der Sinn und die Richtung dieser Gebote. Wir haben die zentrale Stelle dafür vorhin als Lesung gehört. Jesus wird gefragt, welches das größte Gebot ist, und er antwortet:
»›Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken.‹ Dies ist das größte und wichtigste Gebot. Aber das folgende Gebot ist genauso wichtig: ›Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.‹ Diese beiden Gebote fassen alles zusammen,“ – so Jesus – „was das Gesetz und die Propheten von den Menschen fordern.«
Beide Aussagen Jesu sind Zitate aus der hebräischen Bibel. Auch er unterschreibt also voll und ganz die Zehn Gebote. Das bedeutet, dass wir das „vergesst nicht“ auch auf uns beziehen sollen.
Vergiss nicht, präge dir ein, mache die Worte Gottes zu der einen großen Erinnerung, die dein Leben bestimmt. Lass sie die entscheidende Erinnerung sein, mit deren Hilfe du alle deine anderen Erinnerungen einsortieren kannst: Gott wendet sich uns zu. Gott begegnet uns und spricht zu uns. Er gibt uns Worte, die unser Leben bestimmen sollen. Vergesst sie nicht, haltet euch daran fest! Sie sind so kostbar.
Amen.
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 10. Sonntag nach Trinitatis, 13. August 2023, in Ahlem
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 10. Sonntag nach Trinitatis, 13. August 2023, in Ahlem