Dr. Johannes Neukirch, Gottesdienst am 29.5.2022 in Ahlem
Predigttext: Römer 8,26-28
Liebe Gemeinde,
Predigttext: Römer 8,26-28
Liebe Gemeinde,
lasst uns mal kurz Frühling und Sommeranfang in den Hintergrund stellen und auf das Kirchenjahr schauen. Heute ist der sechste Sonntag nach Ostern, und wir sind noch in der österlichen Freudenzeit. Allerdings ganz am Ende, am nächsten Sonntag ist ja schon Pfingsten – da dürfen wir uns selbstverständlich immer noch freuen .... Diese Zeit nach Ostern hat ein wichtiges Thema: den Abschied von Jesus und den Übergang in die Zeit der Kirche.
Jesus ist am Kreuz gestorben und am dritten Tag von den Toten auferstanden. Und dann? Er ist noch vielen seiner Anhängerinnen und Anhängern erschienen, aber irgendwann muss der Auferstandene ja endgültig gehen. Das passiert mit der so genannten Himmelfahrt, die einfach nur besagt: Jesus wird von seinem Vater im Himmel aufgenommen. Die Himmelfahrt ist sozusagen der Abschluss der Auferstehung.
Wie können wir diesen Abschied Jesu als sichtbare und greifbare Person verstehen? Eine Hilfe haben wir vorhin bei der Lesung des Evangeliums bekommen. Da sagt Jesus sogar „Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.“ Der Tröster, das ist der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, wie es ein paar Zeilen weiter heißt.
Die Person Jesus Christus ist nicht mehr sichtbar. Der Heilige Geist, der Tröster, der Geist der Wahrheit – ja, wie soll ich sagen – er vertritt ihn. Oder anders gesagt: Jesus lässt uns nicht allein. Er ist nach der Himmelfahrt noch da, aber in einer anderen Weise: Er ist in den Herzen, er wirkt als Kraft.
An Pfingsten hören wir dann wieder die schöne bildliche Erzählung, wie der Heilige Geist in Form von Feuerflammen, die sich auf die Köpfe setzen, zu den versammelten Menschen kommt. „Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt“ heißt es in der Apostelgeschichte. Aus diesem Ereignis heraus bildete sich dann die erste christliche Gemeinde. Der Heilige Geist hat also viel in Bewegung versetzt – und das ist seine Aufgabe bis heute.
Himmelfahrt und Pfingsten sind Erzählungen, Bilder, um begreifbar zu machen: Jesus Christus ist nicht mehr da - und trotzdem da, sogar viel intensiver als vorher und vor allen Dingen: er ist für sehr viel mehr Menschen da als jemals zuvor.
Seit dieser Zeit bis heute fragen sich Christinnen und Christen, wie denn genau dieser Heilige Geist wirkt, was er bei uns und mit uns macht. Spüren wir noch die Bewegung, die er damals ausgelöst hat? Sind wir noch IM Heiligen Geist oder haben wir ihn verloren? Wo spüren wir ihn?
Ich denke: Wenn wir Liebe und Gemeinschaft sehen und fühlen, wenn wir vertrauensvoll beten, singen und Gott loben, dann können wir eigentlich immer sagen, dass der Heilige Geist wirkt. Aber es ist ja nicht immer eitel Sonnenschein.
Wo ist er, wenn wir mutlos sind und verzagen. Wo ist er, wenn uns der Hals zugeschnürt ist. Was ist mit dem Heiligen Geist, wenn wir nur noch ein lautes Seufzen herausbringen?
Der Heilige Geist, der versprochene Tröster, die Kraft Gottes, hat über die Jahrtausende zweifellos gewirkt und wirkt weiter. Ohne ihn könnten wir nicht beten, nicht glauben, ohne das Vertrauen auf ihn könnten wir nicht Gottesdienste feiern, taufen, konfirmieren, segnen. Und trotzdem können wir nicht gerade sagen, dass die ganze Welt komplett von ihm erfüllt sei! Noch nicht.
Liegt es an uns? Müssen wir vielleicht einfach nur kräftiger beten, mehr in der Bibel lesen, mehr in der Gemeinde tun? Das alles sind selbstverständlich gute Vorsätze, die Paulus auf jeden Fall unterstützen würde.
Aber wir merken ja selbst, dass wir dabei immer wieder an Grenzen stoßen. Wir fragen uns, warum unsere Gebete um Frieden nicht besser wirken, warum wir es nicht schaffen, die überall wütende Gewalt in den Griff zu bekommen, warum der Hunger nicht besiegt wird. Wo bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe?
Hört Gott überhaupt unsere Gebete? Unser Sonntag ja heißt Exaudi, "höre" mit der jahrtausende alten Bitte „HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!“
Auch Paulus hat die Erfahrung gemacht, dass der Heilige Geist wirkt, dass er Glaube, Liebe und Hoffnung auslöst und wir aber trotzdem in einer Welt leben, die wir nur als unerlöste Welt begreifen können. Wir glauben, dass Jesus Christus sein himmlisches Friedensreich aufrichten wird, aber es ist eben nur in Ansätzen da, in vollem Umfang kommt es erst noch.
Im Römerbrief schreibt er deshalb: Die ganze Schöpfung „seufzt und stöhnt vor Schmerz“. Und wir? Wir seufzen und stöhnen wir ebenfalls. Obwohl wir ja, so Paulus, den Heiligen Geist schon als Vorschuss, so nennt er das, als Vorschuss auf das himmlische Reich bekommen haben. Aber wir warten – wie die ganze Schöpfung – darauf, dass Gott sich endgültig durchsetzt und uns von der Vergänglichkeit erlöst
„Wir hoffen auf etwas, das wir noch nicht sehen“ sagt Paulus, „Darum müssen wir geduldig warten.“
Was also, noch mal gefragt, ist nun mit dem Heiligen Geist? Wie kann er uns helfen? Hier setzt unser Predigttext aus dem Römerbrief ein – Paulus schreibt:
„Der Geist Gottes steht uns da bei, wo wir selbst unfähig sind.
Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in angemessener Weise vor Gott bringen.
Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein.
Dies geschieht in einer Weise, die nicht in Worte zu fassen ist.
Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht. Er versteht, worum es dem Geist geht. Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen – damit sind alle Christinnen und Christen gemeint - ein.
28 Wir wissen aber: Denen, die Gott lieben, dient alles zum Guten.“
Ich bin Paulus sehr dankbar, dass er keine falsche Stärke vorgaukelt, sondern ehrlich ist.
Das ist schon eine erstaunliche Reihe: Die ganze Schöpfung seufzt, wir Menschen seufzen und der Heilige Geist auch, er tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein.
Paulus gesteht seine und unsere Ratlosigkeit, Zweifel, Schwachheit, Unfähigkeit ein. „Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen“ – was für ein Satz, ist das Paulus nicht peinlich? Aber der Satz ist ja richtig, das merken wir jeden Freitag bei unseren Friedensgebeten. Und bei vielen anderen Gebeten auch. Wir können nur immer wieder und immer wieder das Flehen und Seufzen vor Gott bringen.Wir ringen nach Worten und wissen nicht, wie wir das besser machen und mehr erreichen können.
Der Heilige Geist hilft uns, wo wir nicht weiterwissen und weiterkönnen. Er überspielt unsere Schwachheit nicht, sondern tritt gerade in unserer Schwachheit, Unfähigkeit, in unserem Zweifel und manchmal Zittern und Zagen für uns ein. Er betet für uns. Er trägt unser Beten weiter bis hin vor Gott.
Dadurch sorgt er dafür, dass wir weiter auf Gott vertrauen und weiter hoffen.
Paulus schließt unseren Text aus dem Römerbrief mit den Worten: „Wir wissen aber: Denen die Gott lieben, dient alles zum Guten.“
Ich lese das so: Legt die Hände nicht in den Schoß! Ja, wir leben in einer noch unerlösten seufzenden Welt und könnten manchmal einfach nur laut schreien oder heulen. Aber wir hören nicht auf zu beten und zu hoffen und zu lieben und Taten der Liebe zu tun. Niemand soll sagen „ich kann das nicht, ich weiß nicht wie“. Denn Gott gibt uns seine Zusage, dass wir dabei nichts Falsches tun können und uns das alles zum Guten dient – so lange wir allein ihm vertrauen, so lange wir ihn lieben - und nicht uns mehr lieben als ihn.
Der Heilige Geist verwandelt unsere Schwachheit in lebendige Hoffnung, die uns durch unser Leben trägt.
HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!“ heißt es in Psalm 27 und dann, ein paar Verse weiter: „Ich glaube aber doch, daß ich sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen. Harre des Herrn! Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!
An diesem „doch“ halte ich mich fest: Ich glaube aber doch, ich glaube trotzdem. Der Heilige Geist ist auf meiner Seite.
Amen.