Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias, 14. Januar 2024

Sun, 14 Jan 2024 17:50:15 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Johannes 1,35-42.
Die ersten Jünger
35 Am nächsten Tag stand Johannes
mit zwei seiner Jünger wieder dort.
36 Als Jesus vorbeiging,
schaute Johannes ihn an und sagte:
»Seht doch! Das ist das Lamm Gottes!«
37 Die beiden Jünger hörten diese Worte
und folgten Jesus.
38 Jesus drehte sich um und sah, dass sie ihm folgten.
Da fragte er sie: »Was wollt ihr?«
Sie antworteten: »Rabbi«
– das heißt übersetzt »Lehrer« –
»wo wohnst du?«
39 Er forderte sie auf: »Kommt und seht selbst!«
Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte.
Sie blieben den ganzen Tag bei ihm.
Das geschah etwa um die zehnte Stunde.
40 Andreas war einer der beiden Jünger,
die Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren.
Er war der Bruder von Simon Petrus.
41 Andreas traf zuerst seinen Bruder Simon
und sagte zu ihm:
»Wir haben den Messias gefunden« –
das heißt übersetzt »der Christus«.
42 Er brachte Simon zu Jesus.
Jesus sah ihn an und sagte:
»Du bist Simon, der Sohn des Johannes.
Dich wird man Kephas nennen« –
das heißt übersetzt Petrus und bedeutet »Fels«.
 
Liebe Gemeinde! 

Nun ist das neue Jahr schon zwei Wochen alt. Wir schreiben 2024. Ich finde, die Zahl schreibt sich gut, besser als 2023. Aber wird es auch ein gutes Jahr? Es gibt ja dieses Sprichwort, das lautet: das Zebra nimmt seine Streifen immer mit. Auch, wenn wir eine neue Zahl schreiben, bleiben wir doch meist im alten Trott. 

Einige Männer vor 2000 Jahren erlebten allerdings eine wirkliche, grundlegende Veränderung in ihrem Leben. Die Evangelien erzählen von ihnen. Von Fischern am See Genezareth, die tagein tagaus dasselbe taten – oder besser nachtein nachtaus, denn man fuhr damals in der Dunkelheit mit Fackeln auf den See und lockte durch den Lichtschein des Feuers die Fische an die Wasseroberfläche. Dann verkauften sie die Fische auf dem Markt, davon lebten die Fischer und ihre Familien. Die Berufe von den anderen Männern wissen wir gar nicht alle. Nur dass Matthäus als Zöllner gearbeitet hatte, bevor er die schicksalhafte Begegnung erlebte, die auch sein Leben veränderte. Und dass Paulus, der große Apostel, der erst nach der Auferstehung Jesu dazu kam, Zeltmacher war. Also: sie waren Handwerker und Geldeintreiber.

Wir können davon ausgehen, dass Sie in der Vorstellung lebten: Eines Tages kommt der Messias, der König der Endzeit. Dann wird es ein Weltgericht geben und  die endgültige und vollkommene Gottesherrschaft anbrechen. 

In diese Situation tritt nun eine Gestalt, die einen kompletten Richtungswechsel im Leben vieler Menschen bewirken wird. Die Evangelien erzählen davon unterschiedlich. Bei Matthäus und Markus kommt Jesus fast wie zufällig an den ersten zwei Menschen vorbei, die ihm folgen werden. Die sitzen da am Ufer des Sees – wieder einmal – und flicken ihre Netze. Als Jesus sie sieht, ruft er ihnen zu: „Folgt mir nach“, und sie stehen sofort auf und tun es. Es ist, als hätten sie gar keine andere Wahl. So ähnlich, als wenn wir uns verlieben. Da können wir ja auch nicht vorher entscheiden: verliebe ich mich eher in diesen als in jenen Menschen?! Es passiert einfach und es ist unausweichlich, jedenfalls wenn es uns voll ergreift. Und das geschieht hier zwischen Jesus und den beiden Männern. Sie sind von Jesus voll ergriffen. Sie denken nicht an ihr bisheriges Leben, an Familie und Freunde, an die Fische, die sie gefangen hatten. Und gleich danach geschieht dasselbe mit Jakobus und Johannes und deren Vater Zebedäus.

Beneidenswert, mag mancher heute denken. So klar, so eindeutig. Offensichtlich fanden die Jünger von einem Moment auf den anderen einen neuen Sinn und eine neue Orientierung in ihrem Leben. Und das geschah, weil Jesus sagte „Folgt mir nach“.

Genau in dieser Form wie die ersten Jünger im Matthäus- und Markusevangelium, in dieser direkten Ansprache, werden wir nun so eine Berufung nicht erleben, denn Jesus ist nicht mehr leibhaftig unter uns. 

Wie gut, dass wir das Johannesevangelium haben, aus dem ja unser heutiger Predigttext genommen ist. Denn Johannes schildert die Berufung der Jünger etwas anders als die übrigen Evangelisten.

Johannes hat als letzter der vier Evangelisten sein Evangelium verfasst und erzählt von Jesus aus einer späteren Perspektive. Johannes hat erlebt: nicht nur vor Ostern beruft Jesus Menschen in seine Nähe und Nachfolge, sondern auch nach Ostern. Und nicht nur Jesus alleine beruft Menschen, sondern auch andere, die auf Jesus hinweisen. Und diese Perspektive trägt er nun in die Geschichten der Jüngerberufungen hinein. 

Er erzählt von seinem Namensvetter Johannes dem Täufer, der gleich zu Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu auftritt und auf Jesus hinweist: „Seht, das Lamm Gottes!“ Johannes der Täufer sagt das zu zwei Männern, die wie viele andere zu ihm an den Jordan gekommen sind, um ihm zuzuhören und sich von ihm taufen zu lassen. 

Er lenkt also von sich ab und bringt die beiden auf die Spur Jesu. Denn nachdem Johannes der Täufer die beiden auf Jesus aufmerksam gemacht hat, folgen sie Jesus nach. 

Jesus dreht sich zu ihnen um und fragt sie: „Was sucht ihr?“ Als wüsste Jesus das nicht. Mit ihrer Antwort machen sie nun völlig klar, dass sie bei ihm bleiben wollen: „Rabbi, wo übernachtest du?“ fragen sie Jesus. Und dann lädt Jesus sie ein: „Kommt und seht!“ Sie gingen mit ihm mit und blieben den ganzen Tag bei ihm. Es geht also auch darum, mit Jesus eigene Erfahrungen zu machen, mit ihm zu reden, zu diskutieren, ihm zuzuhören.

Aber das ist noch nicht alles, es geht weiter: Einer von den beiden Männern, wir erfahren jetzt auch seinen Namen: Andreas, gibt den Staffelstab weiter. Er trifft seinen Bruder Simon Petrus und sagt zu ihm: »Wir haben den Messias gefunden« – das heißt übersetzt »der Christus« und meint den Erlöser, auf den alle warten. Dann brachte Andreas seinen Bruder zu Jesus.

Das Johannesevangelium sagt damit: Auch durch Menschen, die auf Jesus hinweisen, die anderen sagen, wer er ist, was er bedeutet, wirkt Jesus selbst, beruft Jesus selbst Menschen zu sich.

Das ist fundamental auch für uns heute. Menschen begegnen Jesus durch andere, die ihnen bewusst oder unbewusst den Weg gewiesen haben und weisen. 

So kann das Jahr 2024 für manchen einen neuen Anfang, eine neue Wendung des Lebens bringen, weil Jesus sie ruft – durch ein Wort, eine Tat, durch ein prägendes Vorbild, in dem Jesus selbst begegnet.

Genau so gut können wir die sein, von denen das ausgeht: Wenn wir in aller Behutsamkeit und am richtigen Platz unseren Glauben nicht verstecken. Es hilft nicht, andere anzupredigen, die gar nichts davon aufnehmen können und wollen. Aber es kann helfen, die eigene Hoffnung zu benennen, wenn jemand keine Hoffnung mehr hat; die eigene Erfahrung mit dem Glauben zu erzählen – auch mit allen Zweifeln, die dazu gehören, wenn jemand für sich einen neuen Weg sucht. 

Und es hilft, der Welt mit all ihrem Jammer zu trotzen, die Hoffnung hoch zu halten und das schöne, alte Kirchenlied „Jesu meine Freude“ mit der wunderbaren Strophe zu singen, in der es heißt: „Trotz dem alten Drachen, trotz dem Todes Rachen, trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh! Gottes Macht hält mich in Acht. Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen!“

Amen. 


Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias. Hannover-Ahlem, 14. Januar 2024
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