Predigt zu Trinitatis, 26. Mai 2024

Sun, 26 May 2024 17:00:44 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Predigttext Epheser 1,3-14 
Lobpreis Gottes für die Erlösung durch Christus

3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,  der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.  
4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war,  dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe;  
5 er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus  nach dem Wohlgefallen seines Willens,  
6 zum Lob seiner herrlichen Gnade,  mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.  
7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden,  nach dem Reichtum seiner Gnade,  
8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit.  
9 Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens  nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte,  
10 um die Fülle der Zeiten heraufzuführen,  auf dass alles zusammengefasst würde in Christus,  was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn.  
11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden,  die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt,  nach dem Ratschluss seines Willens,  
12 damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben,  die wir zuvor auf Christus gehofft haben.  
13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt,  nämlich das Evangelium von eurer Rettung -  in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist,  
14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes,  zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden  zum Lob seiner Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde,

wenn Sie eben beim Hören des Textes gedacht haben: Donnerwetter, da steckt ja viel oder alles drin - ich komme gar nicht hinterher ... Dann kann ich Ihnen nur Recht geben. Sogar der Apostel Paulus, dessen Briefe wir auch nicht immer gleich verstehen, drückt sich kürzer und klarer aus. Das bedeutet: dieser Brief ist wohl kaum von ihm. Der Verfasser oder eine Gemeinde hat den Namen Paulus als Verfasser hinzugefügt, weil der Brief dadurch mehr Gewicht bekommt, das hat man damals so gemacht. Schon in der Antike haben Fachleute den Stil des Epheserbriefes kritisiert: er sei weitschweifig, wortreich, lange Sätze, schwer zu gliedern. „Umfassender kann ein Gotteslob nicht sein“ schrieb ein moderner Ausleger. „Oder muss man sagen: Pompöser?“

Jedenfalls versucht der Verfasser, den Segen Gottes darzustellen. Und zwar umfassend und in großer sprachlicher Fülle. Der Segen beginnt schon vor der Schöpfung: Gott hat uns erwählt „Ehe der Welt Grund gelegt war“. Der Segen reicht bis zum Ende aller Zeiten, an dem alles in Christus zusammengefasst wird, was im Himmel und auf Erden ist. Er reicht von dem, was es auf der Erde gibt bis zu den höchsten Himmeln. Kurzum: Er umfasst alle Dimensionen von Zeit und Raum.

Was bringt uns der Segen Gottes, der in Jesus Christus zu uns kommt? Erwählung, Kindschaft, Erlösuing, Vergebung, Weisheit und Einsicht, Erbe und Erlösung - Kurzum: alles, was wir uns unter Rettung und Erlösung vorstellen können.

Wie sagte der Theologe? „Umfassender kann ein Gotteslob nicht sein - oder muss man sagen: Pompöser?“ Anders gesagt: der Text überfordert unsere nüchternen norddeutschen Ohren ein wenig.

Szenenwechsel

Ein Anruf. Meine entfernte Tante Luise, 85 Jahre alt, Diakonisse in der Schwesternschaft Aidlingen in Süddeutschland, liegt mit einer schlimmen Diagnose im Krankenhaus. Schweren Herzens wähle ich die Nummer, die zu ihrem Krankenbett führt. Sie erzählt mir, was los ist, zum Glück mit fester Stimme. Und dann sagt sie: „Weißt du, worauf  ich mich besonders freue, wenn ich im Himmel bin? Ich freue mich darauf, meine Mutter zu sehen. Ich war ja gerade fünf Wochen alt, als sie gestorben ist. Ich habe sie nie kennengelernt.“

Da wurde mir sehr bewusst, was es bedeutet, zu jemandem zu gehören! Wirklich zu gehören, so wie ein Kind zu seinen Eltern. Diese Frau lebt seit 85 Jahren, ohne ihre Mutter zu kennen. Sie war und ist nie alleine. Seit sie Diakonisse wurde, lebt sie in der Schwesternschaft, also in einer stabilen Gemeinschaft, bis heute. Sie hatte einen erfüllenden Beruf. Sie ist sehr fromm, lebt in einer starken Beziehung zu Jesus.

Und trotzdem hat sie diese große Sehnsucht, ihre Mutter zu sehen, ganz einfach, weil die beiden zusammengehören. Sie gehören zusammen, wie sonst keine zwei Menschen zusammengehören.

Diesen Gedanken möchte ich auf unseren Text übertragen. Ich denke, dass all diese weitschweifigen Verse vor allem den einen Sinn haben: Uns zu vermitteln, dass wir zu Jesus und zu seinem Vater in einer Art und Weise gehören, die einzigartig ist. Wir sind nicht irgendwelche Menschen, die mal von Jesus gehört haben und ihn vielleicht gut finden. Es geht nicht um Sympathie oder Ähnliches. Es geht in unserem Text um viel mehr. Denn wir sind getauft, sind neue Menschen geworden.

Unser Text sieht das so:
Gott hat uns in Jesus Christus erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war.
Gott hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus
In Jesus Christus haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden
In ihm sind wir auch zu Erben seiner Herrlichkeit eingesetzt worden.

Wir sind „In ihm“, in Jesus Christus, diese Formulierung steht hier oft. So wie ein Kind zuerst in der Mutter ist - oder übertreibe ich da jetzt etwas? Ich weiß es nicht, aber es ist klar, dass der Verfasser uns das immer wieder sagen will: wir gehören zu Jesus Christus. Er war von Anbeginn der Zeit und wird auch beim Ende aller Zeiten noch sein.

Kann man das begreifen, lernen, wissen, fühlen, ahnen? Für meine fromme Tante Luise ist das alles klar, sie glaubt fest daran. Aber dass jemand das so aufgeschrieben hat, zeigt ja gerade, dass dieser Glaube NICHT selbstverständlich ist. Dass man davon reden muss, ihn verkünden muss.

Und da ist es gut, dass unser ganzer Text unter der Überschrift „Gotteslob“ steht. „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.“ so heißt es. 

Denn ein Lob ist etwas ganz anderes als eine Tatsachen-Beschreibung oder eine Bilanz oder ein Bericht. Es wird bekannt. Wir können mit Lob viel mehr und anderes sagen als mit einem Bericht. Wir stellen eine Beziehung her. 

Das merken wir besonders bei unseren Liedern. Wir singen sozusagen mit einem Überschuss: „Nun danket alle Gott mit Herzen und Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zu gut bis hierher hat getan.“ werden wir gleich singen. Manche singen das im Brustton der Überzeugung, manche denken, na ja, stimmt auch nicht so voll und ganz, manche sagen vielleicht „geht gar nicht“. Aber indem wir das trotzdem singen, stellen wir uns in einen Raum, in dem Gott durch Jesus Christus und durch den Heiligen Geist wirksam ist. Wir stellen uns in einen Raum, in dem wir schon ein wenig von der Herrlichkeit Gottes spüren, die wir eines Tages voll und ganz sehen werden. Deshalb heißt das katholische Gesangbuch kurz und knapp „Gotteslob“. 

Wir werden andere Menschen durch das Gotteslob. Indem wir Gott lobend bekennen, kommt auch das Begreifen, Lernen, Wissen, Fühlen, Ahnen. 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen


Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 26.5.2024 in der Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem
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