Galater 2,16-21 in Auszügen
Wir wissen:
Kein Mensch gilt vor Gott als gerecht,
weil er das Gesetz befolgt.
Als gerecht gilt man nur,
wenn man an Jesus Christus glaubt.
Deshalb kamen auch wir zum Glauben an Jesus Christus.
Denn durch diesen Glauben an Christus
werden wir vor Gott als gerecht gelten –
und nicht, weil wir tun, was das Gesetz vorschreibt.
Schließlich spricht Gott keinen Menschen
von seinen Sünden frei, weil er das Gesetz befolgt.
(...) Deshalb lebe ich also nicht mehr selbst,
(...) Deshalb lebe ich also nicht mehr selbst,
sondern Christus lebt in mir.
Zwar lebe ich noch in dieser Welt,
aber ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes.
Er hat mir seine Liebe geschenkt
und sein Leben für mich hingegeben.
Liebe Gemeinde,
es hat nicht ganz gereicht, vielleicht noch zu Silber, aber nicht zu Gold, vielleicht zu Platz 16, aber nicht zu einer Medaille. Erwartungen nicht erfüllt - das hatten wir in den letzten zwei Wochen oft.
Kennen Sie noch den Turner Fabian Hambüchen? Er beendete 2016 seine Karriere - mit einer Olympia-Goldmedaille am Reck. Jetzt arbeitet er als Kommentator und schrieb in seiner Olympia-Kolumne. Überschrift: „Der Olympia-Traum ist oft größer als die Vernunft“. Er schreibt: Es war brutal, zu sehen, wie Malaika Mihambo nach ihrem Wettkampf gelitten hat. Als ehemaliger Hochleistungssportler weiß ich genau, was sie, ein Noah Lyles oder auch die Ringerin Annika Wendle durchgemacht haben. Für das Ziel Paris hatten sie ihrem Körper alles abverlangt. Und dann hat es wegen einer Krankheit oder Verletzung nicht für ganz oben oder für eine Medaille an sich gereicht. Da bricht in dir erst mal alles zusammen. Umso beeindruckender, dass Malaika trotzdem Silber gewonnen hat. Im fitten Zustand wäre wahrscheinlich kein Weg an ihrem zweiten Olympia-Gold vorbeigegangen, sie wäre in die Geschichtsbücher gesprungen.“
Es hat nicht ganz gereicht - was sollen wir da nur sagen, liebe Gemeinde? Es gibt unter uns zwar sportliche und fitte Menschen, aber Olympiateilnehmerinnen oder teilnehmer meines Wissens nicht. Ich denke: Wir vollbringen nichtsdestotrotz Höchstleistungen - jeden Tag. Den Alltag bestehen, trotz einer Behinderung, trotz einer Krankheit, trotz der kranken Partnerin oder des Partners, trotz der Kinder, die alle Aufmerksamkeit beanspruchen, trotz des knappen Geldes, trotz des Verlustes des Arbeitsplatzes, trotz der Probleme in der Arbeit, trotz der Anforderungen in der Schule, im Studium oder in der Lehre.
Erwartungen und Leistungsdruck können groß sein. Ob wir wollen oder nicht, wir stellen Ansprüche an uns selbst und spüren sehr deutlich, dass von außen Ansprüche an uns gestellt werden. Und wir sind heilfroh, wenn wir allen Anforderungen einigermaßen gerecht werden. Was ist, wenn wir es nicht mehr schaffen? Wie schauen dann die anderen, die Familie, die Partnerin, der Partner, die Freunde auf einen? Es gehört Überwindung dazu, Schwäche zu zeigen.
So wie die Olympiateilnehmerinnen und -teilnehmer war auch der Apostel Paulus, als er noch Saulus hieß, ein Getriebener. Er wollte auch allen Ansprüchen gerecht werden. Und das waren die Gesetze, die Mose aufgeschrieben hat. Viele Gesetze und Lebensvorschriften.
Bis Christus in sein Leben trat und er eine Kehrtwende um 180 Grad machte. Danach war sein großes Ziel ein anderes: die gute Botschaft von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der ganzen Welt zu sagen. Dazu machte er zahlreiche Reisen und nahm viele Entbehrungen auf sich. Jetzt wollte er nur noch Christus in den Mittelpunkt stellen. Aber wahrscheinlich war auch eine gehörige Portion persönlichen Ehrgeizes dabei, vermute ich einfach mal.
Und Paulus hatte Konkurrenten! Es gab weitere Missionare, die in den Gemeinden wirkten. Sie hatten allerdings einen anderen Ansatz: Sie sagten: das mit Jesus ist ja schön und gut und auch richtig. Aber du musst dein Leben trotzdem nach dem Gesetz ausrichten, um Gott zu gefallen. Sie wollten alle Vorschriften aus den fünf Büchern Mose beibehalten, also zum Beispiel die Beschneidung und die Essens- und Reinheitsvorschriften. Bestimmte Ansprüche müssen erhalten bleiben für ein gottgefälliges Leben, sagten sie. Es muss schon eine Eigenleistung erbracht werden. Bis heute gibt es Christinnen und Christen, die sagen: Fromm sein heißt, alles richtig zu machen, allen Ansprüchen perfekt zu genügen. Dabei können Menschen zugrunde gehen, Martin Luther ist daran fast verzweifelt. Wie bekomme ich einen gnädigen Gott, war deshalb seine Frage.
Paulus stellt sich gegen seine Konkurrenten, weil er begriffen hat: Wir können das Gesetz, die Lebensvorschriften, die zehn Gebote nicht voll und ganz erfüllen. Wir halten den Ansprüchen Gottes nicht stand. Wir können aus eigener Kraft nicht so lieben, wie er das fordert. Paulus drückt das radikal so aus: Das Gesetz hat mir den Tod gebracht.
Aber gerade darin, gerade in dem „ich schaffe das nicht“ liegt eine ungeheure Chance - die Chance zu realisieren, dass wir ganz und gar auf die Gnade Gottes angewiesen sind und dieser Gnade vertrauen sollen. Die haben wir. Dafür ist Christus sogar gestorben. Damit ist zugleich gestorben, dass ich aus eigener Kraft vor Gott bestehen kann. Es gilt: „Er hat mir seine Liebe geschenkt und sein Leben für mich hingegeben“ schreibt Paulus.
Und dann sagt er diesen wundervollen Satz: „Deshalb lebe ich also nicht mehr selbst, sondern Christus lebt in mir.“
Es hat nicht ganz gereicht - dein eigenes Leistungsvermögen reicht nicht. Und doch bist du genug, so wie du bist. DEnn egal wie viel du glaubst, egal wie viele Zweifel du hast, du bist von Gott voll und ganz angenommen und geliebt, weil Christus in dir lebt.
Das befreit.
Wie es in dem Lied heißt, das wir gleich singen werden:
Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht, bringe ich vor dich.
Wandle Sie in Weite
Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt, bringe ich vor dich. Wandle sie in Stärke.
Mein verlornes Zutraun, meine Ängstlichkeit, bringe ich vor dich. Wandle sie in Wärme.
Meine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit bringe ich vor dich. Wandle sie in Heimat. Herr, erbarme dich.
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 11.8.2024 in Ahlem
Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht, bringe ich vor dich.
Wandle Sie in Weite
Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt, bringe ich vor dich. Wandle sie in Stärke.
Mein verlornes Zutraun, meine Ängstlichkeit, bringe ich vor dich. Wandle sie in Wärme.
Meine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit bringe ich vor dich. Wandle sie in Heimat. Herr, erbarme dich.
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 11.8.2024 in Ahlem