Predigt am Sonntag Sexagesimae, 4. Februar 2024

Wed, 07 Feb 2024 18:25:53 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Mk 4,26-29
Das Gleichnis von der Saat, die ganz von selbst wächst
26 Danach sagte Jesus:
»Mit dem Reich Gottes ist es wie bei einem Bauern.
Er streut die Körner auf das Land,
27 dann legt er sich schlafen und steht wieder auf –
tagaus, tagein.
Die Saat geht auf und wächst –
aber der Bauer weiß nicht, wie das geschieht.
28 Ganz von selbst bringt die Erde die Frucht hervor.
Zuerst den Halm, dann die Ähre
und zuletzt den reifen Weizen in der Ähre.
29 Wenn das Getreide reif ist,
schickt er sofort die Erntearbeiter los,
denn die Erntezeit ist da.«

Liebe Gemeinde,
wir sind auf’s Wachsen angewiesen! Wenn nichts mehr wächst, dann sind wir, dann ist unsere ganze Welt am Ende angelangt. 

Kein Stück Brot ohne dass ein Halm wächst, der dann eine Ähre bildet, in der die Körner sind, aus denen das Mehl gemahlen wird. Kein Blättchen Salat, keine Tomate, keine Kartoffel, kein Apfel, keine Banane, keine Traube, kein Tofu, kein Fleisch - ohne wachsen. 

Jesus hat am See Genezareth gepredigt, seine Zuhörerinnen und Zuhörer waren vor allem in der Landwirtschaft tätig und wussten nur zu gut, wie sehr sie auf das Wachsen angewiesen sind. Bei uns geht das etwas verloren, wenn wir im Supermarkt nur die fertigen Produkte sehen. Aber viele von Ihnen haben ja einen Garten und verstehen sofort, wovon Jesus in seinem Gleichnis spricht. 

„Die Saat geht auf und wächst – aber der Bauer weiß nicht, wie das geschieht.“ sagt Jesus. Heute wissen wir viel mehr, zum Glück. Aber es bleibt geheimnisvoll. „Ganz von selbst bringt die Erde die Frucht hervor.“ heißt es. Im griechischen Text steht automatä - das kennen wir als Fremdwort: automatisch. Bei aller Forschung, bei allem Dünger und optimaler Bewässerung, bleibt das Automatische wundersam. In den Schulen stehen Experimente auf dem Lehrplan. Was ist nötig, damit etwas wächst? Ein Topf mit Erde, ein Samen, Wasser, Licht und dann warten, was passiert. Und die wissenschaftliche Forschung ist noch längst nicht am Ende: Seit einigen Jahren forschen die Astronauten und Astronautinnen  auf der Internationalen Raumstation ISS, wie Pflanzen im Weltraum, also in der Schwerelosigkeit, wachsen können. Auch da gilt: den Samen einpflanzen, verschiedene Bedingungen ausprobieren und abwarten, was passiert. Auch da gilt: es muss etwas automatisch passieren! Astrogärtnerei nennt sich das Ganze.

Wir versuchen, das „ganz von selbst“ so gut wie möglich zu beeinflussen und zu steuern. Es bleibt aber im Kern geheimnisvoll.

Nicht nur Pflanzen wachsen. Auch das Reich Gottes wächst.

Beim Propheten Jesaja heißt es: „Denn wie die Erde Pflanzen hervorbringt, so lässt Gott, der HERR, Gerechtigkeit wachsen. (Jes 61,11). Und bei Hosea: „Beginnt mit der Saat! Gerechtigkeit soll wachsen. Sammelt die Früchte! Liebe soll sie  hervorbringen. Pflügt neues Land! Denn es ist Zeit, nach dem HERRN zu fragen. Dann wird er kommen und Gerechtigkeit bringen – wie Regen über euer Land. (Hos 10,12). 

„So lässt Gott der Herr Gerechtigkeit wachsen, Liebe soll sie hervorbringen.“ Da sind wir schon ganz nahe am Thema der Verkündigung des Evangelisten Markus dran. Es geht ihm vor allem um die Verkündigung des Reiches Gottes.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber beim Ausdruck „Reich Gottes“ oder, mit gleicher Bedeutung, „Königsherrschaft Gottes“ spüre ich immer etwas Widerstand, obwohl die Worte „Reich Gottes“ immer wieder in meinen Predigten vorkommen. Aber angesichts der Demonstrationen für den Erhalt unserer Demokratie und angesichts von Machthabern, die sich wie die übelsten Könige aufführen, ganz zu schweigen von dem merkwürdigen Phänomen der „Reichsbürger“ möchte man die Wörter „Reich“ und „Königsherrschaft“ lieber vermeiden. Auch die Bibel kennt nicht nur gute Könige.

Trotz meines Widerstandes gegen diese Begriffe - ich habe noch keine Alternative gefunden. Was ist damit gemeint?

„Reich Gottes“ meint eine Wirklichkeit, die Himmel und Erde umfasst. In ihr setzt sich Gottes Wille voll und ganz durch. Alles wird darin gerecht zugehen. Überall regieren Liebe, Barmherzigkeit, Fürsorge. Und es ist tiefer Frieden.

Deshalb können wir gut sagen, wo sich das Reich Gottes NICHT oder noch nicht durchgesetzt hat. Überall, wo Krieg ist, wo Hass oder Rassismus oder Lieblosigkeit vorherrschen. Und auch dort wo sexuelle Gewalt ausgeübt wird, wo Vertrauen aufs Schlimmste mißbraucht wird.

Wie setzt sich das Reich Gottes durch?

Jesus zeigt, so berichten die Evangelien, dass mit und durch ihn das Reich Gottes begonnen hat. Er besiegt Dämonen, Krankheiten und Naturgewalten. Er verkündet, dass Gott nahe ist. 

Und uns sagt er: „Mit dem Reich Gottes ist es wie bei einem Bauern. ...“ Uns sagt er also, dass das es noch wachsen muss und das Wachsen ein Geheimnis ist, das wir nicht beeinflussen können. Getreu dem alten Spruch: Wenn du am Grashalm ziehst, wächst das Gras deshalb nicht schneller.

Er sagt aber auch: Mach es wie ein Bauer oder eine Bäuerin. Fang an mit dem Säen! Mehr kannst du nicht tun, aber tu das! Fan an davon zu reden, dass es in unserem Leben um das Reich Gottes geht. Dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus uns nahe ist und das an erster Stelle in unserem Leben stehen soll. Es bleibt uns nichts anderes übrig als auf das Wachsen zu vertrauen. Aber es ist doch großartig, dass aus dem Korn, das wir säen können, etwas hervorkommt, was es sonst nicht gäbe!

Ich freue mich so, dass wir seit einiger Zeit wieder einen Kindergottesdienst in unserer Gemeinde haben. Dass Menschen bereit sind, von Jesus zu erzählen und mit den Kindern zu singen und zu beten. „Meinem Gott gehört die Welt, meinem Gott das Himmelszelt ihm gehört der Raum, die Zeit, sein ist auch die Ewigkeit.“ oder: „Wenn einer sagt, ich mag dich, du, ich find dich richtig gut, dann krieg ich eine Gänsehaut und auch ein bisschen Mut.“ Da wird gesät, kräftig gesät! Auch wenn niemand weiß, wann die Saat aufgeht, das müssen wir aushalten.

Für den Konfirmandenunterricht gilt das selbstverständlich auch, für das Jugendzentrum für Gruppen und Kreise in unserer Gemeinde, für Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit und Demokatie engagieren, für Menschen, die einen Stern basteln und einen Brief falten, damit in der Adventszeit andere einen Umschlag öffnen und sich freuen können.

Wir folgen Jesus Christus nach, der uns Gott nahebracht hat und nahe bringt, der zu uns sagt: Nimm ganz einfach die Körner in die Hand und säe und vertraue darauf, dass die Saat ganz von alleine wächst. 

Martin Luther sagte mal in einer Predigt: „Ich habe allein Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst habe ich nichts getan. Das hat, wenn ich geschlafen habe, wenn ich wittenbergisch Bier mit meinem Philippus und Amsdorf getrunken habe, so viel getan, dass das Papsttum schwach geworden ist, dass ihm noch kein Fürst noch Kaiser so viel abgebrochen hat. Ich hab nichts getan, das Wort hat alles gehandelt und ausgerichtet.“

Amen.

 
Predigt von Johannes Neukirch am 4.2.2024 in Hannover-Ahlem
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