Predigt aus dem Erntedank-Gottesdienst am 2. Oktober 2022

Tue, 04 Oct 2022 17:40:25 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

5. Buch Mose, 8,7-18 
7 Denn der HERR, dein Gott, / bringt dich in ein gutes Land. / Dort gibt es Flüsse, Quellen und Seen, / in den Tälern und in den Bergen. 
8 Weizen wächst dort und Gerste und Wein. / Die Bäume tragen Feigen und Granatäpfel. / Es ist ein Land reich an Oliven und Honig. 
9 Dort wirst du nicht armselig dein Brot kauen. / Nichts wird dir fehlen. / Dieses Land ist reich an Bodenschätzen. / Im Gestein findet man Eisen, / und in seinen Bergen kannst du nach Kupfer graben. 
10 Wenn du isst und satt wirst, / dann danke dem HERRN, deinem Gott! / Er hat dir dieses gute Land gegeben. 
11 Pass auf und vergiss den HERRN, deinen Gott, nicht! / Übertritt nie seine Gebote, Bestimmungen und Gesetze, / die ich dir heute verkünde! 
12 Denn Wohlstand kann gefährlich werden: / Du isst und wirst satt. / Du baust dir wunderschöne Häuser und wohnst darin.
13 Deine Rinder und Schafe vermehren sich. / Du häufst Berge von Silber und Gold an / und gewinnst in allem immer mehr. 
14 Dann kann dein Herz überheblich werden, / und du vergisst den HERRN, deinen Gott. / Dabei hat er dich doch aus Ägypten geführt, / aus dem Leben in der Sklaverei. 
15 Er führte dich durch die große und schreckliche Wüste. / Dort gab es giftige Schlangen und Skorpione, / nur Trockenheit und kein Wasser. / Er aber ließ Wasser für dich hervorquellen / aus dem härtesten Felsen. 
16 Er gab dir in der Wüste Manna zu essen, / das deine Vorfahren nicht kannten. / So zeigte er dir, wie sehr du ihn brauchst. / Er prüfte dich, um dich danach mit Gutem zu belohnen. 
17 Du kannst dir natürlich einreden: / »Meine eigene Stärke und die Kraft meiner Hände / haben mir diesen Reichtum verschafft.« 
18 Aber nein, du sollst an den HERRN, deinen Gott, denken! / Er hat dir die Kraft gegeben, damit du reich wurdest. / Er hat sich bis heute an den Bund gehalten, / den er deinen Vorfahren geschworen hatte.

** Kartoffel in die Hand nehmen **

Dankbar sein für diese Kartoffel. Das meint auch: sich bewusst machen, wie sie zu dem geworden ist, was sie ist. Zuerst bearbeitet der Bauer oder die Bäuerin den Boden. Er wird im Herbst oder Frühjahr gepflügt. Feine, sandige Böden ohne Steine sind gut geeignet, eine Gegend mit geringer Luftfeuchtigkeit ist besonders gut. Auf dem Boden werden Dämme aufgebaut. Dann muss der Bauer oder die Bäuerin die speziellen Pflanzkartoffeln keimen lassen. Mit Legemaschinen setzen sie diese Pflanzkartoffeln in eine Tiefe von 8 bis 10 Zentimeter und schließen den Boden wieder in Dammform. Der Abstand zwischen den Reihen beträgt ca. 75 Zentimeter. Während sie wachsen, muss das Unkraut bekämpft werden, am besten nicht mit Pflanzengiften, sondern mechanisch, dafür gibt es viele verschiedene Geräte, oder thermisch. Wenn die Knollen groß genug sind, muss jemand das Kraut abtöten. Schließlich werden die Kartoffeln geerntet, gesäubert, und, damit sie das ganze Jahr über zur Verfügung stehen, bei 5 bis 10 Grad gelagert. 

Es passiert viel, bis wir so eine Kartoffel in der Hand halten können. Und bei aller Wissenschaft und Erfahrung sind wir darauf angewiesen, dass das Wetter gut ist und sie wächst und gedeiht. „doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand“ haben wir gesungen. 

Dankbar sein, heißt, die Schritte zurückzugehen von der Kartoffel, die ich hier in der Hand halte, bis hin zum Vorbereiten des Bodens und zum Setzling, der in die Erde kommt. Wir machen uns bewusst, auf welchen Voraussetzungen das alles beruht. Wir denken daran, welcher Arbeit und Mühe wir unsere Nahrung verdanken. 

Dieses Bewußtmachen ist die Voraussetzung dafür, verantwortlich mit unserer Natur umzugehen. Darauf zu schauen, dass wir auch noch nächstes und übernächstes Jahr einen Boden haben, der Kartoffeln und alles andere wachsen lässt. Darauf zu schauen, unter welchen Bedingungen das produziert wird, was wir essen.

Dankbarkeit schafft ein Bewusstsein für achtsames Leben.

Die Schritte zurück gehen - das ist auch für unseren Glauben wichtig. Sich klar machen, worauf unser Glaube beruht, sich bewusst werden, was Gott für sein Volk getan hat. „Er hat dich doch aus Ägypten geführt, / aus dem Leben in der Sklaverei. Er führte dich durch die große und schreckliche Wüste.“ / „Er gab dir in der Wüste Manna zu essen.“ / „Denn der HERR, dein Gott, / bringt dich in ein gutes Land. / Dort gibt es Flüsse, Quellen und Seen, / in den Tälern und in den Bergen. Weizen wächst dort und Gerste und Wein. / Die Bäume tragen Feigen und Granatäpfel. / Es ist ein Land reich an Oliven und Honig.“

Gott bringt sein Volk in das gelobte Land, in dem Milch und Honig fließen. Er sorgt für sein Volk. Er versorgt es. „Er hat sich bis heute an den Bund gehalten, / den er deinen Vorfahren geschworen hatte“, also an die Vereinbarungen zwischen Gott und Mensch.

Die Schritte zurückgehen -  es ist wichtig, sich daran zu erinnern, was Gott für uns getan hat und von uns will. 

Wenn wir das nicht tun, dann sind wir in Gefahr, überheblich zu werden, wir kennen diese Gefahr nur allzu gut: „Du kannst dir natürlich einreden: / »Meine eigene Stärke und die Kraft meiner Hände / haben mir diesen Reichtum verschafft.«  Aber nein, du sollst an den HERRN, deinen Gott, denken! / Er hat dir die Kraft gegeben, damit du reich wurdest. / Er hat sich bis heute an den Bund gehalten, / den er deinen Vorfahren geschworen hatte.“

Unsere jüdischen Glaubensgeschwister feiern jedes Jahr sieben Tage lang ein Fest, mit dem sie die Erinnerung an die Wüste und die Führung Gottes lebendig halten, das Laubhüttenfest. Am Laubhüttenfest  danken die Jüdinnen und Juden für eine reiche Ernte und erinnern an den Auszug der Israeliten aus Ägypten.

Laubhüttenfest heißt es, weil während des Festes viele Haushalte im Garten oder auf ihrem Balkon Laubhütten errichten und in ihnen vorübergehend leben und gemeinsam essen. Auch auf Plätzen oder neben den Synagogen können solche Hütten stehen. Sie erinnern an die Zeit in der Wüste, in der das Volk in solchen ganz einfach gebauten provisorischen Hütten lebte. Ihr Dach besteht aus Zweigen. Nachts kann man durch das Dach die Sterne sehen und sich erinnern lassen, dass Gott über uns wacht. 

Dieser Brauch führt uns vor Augen, dass es gut ist, wenn  wir Schritte zurück gehen, mal ein paar Tage in einer primitiven Hütte verbringen – dass es gut ist, sich zu erinnern, um weiter leben zu können. 

Denn unser uralter Text passt ja sehr gut in unsere Zeit. Ich zitiere: „Wohlstand kann gefährlich werden: / Du isst und wirst satt. / Du baust dir wunderschöne Häuser und wohnst darin. Deine Rinder und Schafe vermehren sich. / Du häufst Berge von Silber und Gold an / und gewinnst in allem immer mehr. Dann kann dein Herz überheblich werden, / und du vergisst den HERRN, deinen Gott. / Dabei hat er dich doch aus Ägypten geführt, / aus dem Leben in der Sklaverei.“

Wir brauchen die Erinnerung, um Zukunft zu haben. Wir brauchen die Erinnerung an, solche Texte wie unseren Predigttext heute, um uns bewusst zu machen, dass wir dem Schöpfer gegenüber verantwortlich sind: „Wenn du isst und satt wirst, / dann danke dem HERRN, deinem Gott! / Er hat dir dieses gute Land gegeben.  Pass auf und vergiss den HERRN, deinen Gott, nicht! / Übertritt nie seine Gebote, Bestimmungen und Gesetze, / die ich dir heute verkünde!“

Dankbar sein, erinnern, bewusst machen, wem wir unser Leben zu verdanken haben – das alles sind Voraussetzungen für eine gute Zukunft. Lasst uns in unseren Herzen Laubhütten bauen, mit Dächern, durch die wir hindurchsehen können, durch die hindurch wir Gott sehen.  Sollt ich meinem Gott nicht singen, denn ich seh in allen Dingen, wie so gut er’s mit mir meint. Ist doch nichts als lauter Lieben, das sein treues Herze regt.


Dr. Johannes Neukirch, Predigt im Gottesdienst in Ahlem  am 2.10.2022
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