Dr. Johannes Neukirch, Gottesdienst am 1.5.2022 in Ahlem
Predigttext: 3. Johannes 2
Liebe Gemeinde,
Predigttext: 3. Johannes 2
Liebe Gemeinde,
wenn Bettina Gauggel im Gemeindebüro die Infos für den Ahlemer Boten zusammenstellt, dann nimmt sie unter der Rubrik „Zum Nachdenken“ den aktuellen Monatsspruch rein. Die Monatssprüche sucht die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen aus. Im nächsten Boten wird da der Spruch für den Mai stehen: „Mein Lieber, ich wünsche dir, dass du gesund bist und dass es dir an Leib und Seele gut geht.“
Als ich das gesehen habe, dachte ich „huch, hat sich Bettina da vertan?“ Ist dieser Spruch nicht ein wenig schlicht oder leichtgewichtig - als Monatsspruch und auch für den Boten unter der Rubrik „Zum Nachdenken“. Was gibt es da groß nachzudenken? Aber selbstverständlich hatte Bettina alles richtig gemacht. Und ich dachte mir, wenn die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen diesen Vers offensichtlich wichtig findet, gehe ich dem doch mal nach.
Der Spruch „Mein Lieber, ich wünsche dir, dass du gesund bist und dass es dir an Leib und Seele gut geht.“ ist ein Teil des Briefanfangs des dritten Johannesbriefes. Aus dem wird selten zitiert, er ist ganz kurz und wenig bekannt. Über den Verfasser wissen wir nicht viel, nicht einmal, ob er wirklich Johannes hieß. Er nennt sich selbst »der Älteste« und war damals wohl eine bekannte Persönlichkeit.
Jedenfalls schreibt Johannes, bleiben wir einfach bei diesem Namen, an seinen Freund Gajus. Und was er da vor circa 2000 Jahren schrieb, kann genauso heute einer seinem Freund oder seiner Freundin schreiben. Vor allem dieses „ich wünsche dir, dass du gesund bist“ ist ja sogar sehr aktuell. „Bleib gesund“ oder „Bleiben Sie gesund“ steht seit Beginn der Pandemie unter zahllosen Mails, SMS, WhatsApp-Nachrichten, Briefen und ist inzwischen ein beliebter Abschluss von Gesprächen aller Art.
„Ich wünsche dir, dass es dir an Leib und Seele gut geht“. Was meint denn „gut gehen“ genau?
Für uns hier in Deutschland bedeutet es: dass der Frieden bewahrt bleibt. Dass keine Wolke am blauen Himmel aufzieht oder wenn, dann nur eine oder zwei weiße Schäfchenwolken. Dass die Bäume blühen können und die Vögel fliegen und dass das Leben immer so weitergeht. Dass Krankheiten, die uns Sorgen machen, heilen. Dass Freundschaften bleiben und kein Streit kommt. Dass alle mit ihrem Geld auskommen. Dass wir zufrieden sein können mit allem, was wir haben und sind.
Aber für die Menschen aus der Ukraine bedeutet „gut gehen“ zur Zeit etwas ganz anderes: es bedeutet, dass die Waffen schweigen und Friede wird, dass am Himmel keine Flugzeuge mit Bomben auftauchen, Häuser zerstören und Menschen töten; dass Kinder nicht von ihren Eltern getrennt werden und dass Menschen im Licht leben können, nicht in dunklen, feuchten Kellern. es bedeutet die alltägliche Grundversorgung mit Nahrung, Wasser, Strom, Medikamenten.
Und für die Menschen in der Zeit um 100 nach Christus – da lebten Johannes und sein Freund Gajus – bedeutete „gut gehen“ vor allen Dingen ohne Angst seinen Glauben an Jesus Christus zeigen zu dürfen. Sich mit anderen Frauen und Männern treffen zu können zum Beten und Singen, zum Gottesdienst feiern und Zusammensein. Es bedeutete, dass die Nachbarn keinen bösen Tratsch über die Christen herumerzählen – z.B. sie trinken Blut. Solche Lügen haben die Leute erzählt, die das christliche Abendmahl nicht richtig verstanden haben und den Christinnen und Christen schaden wollten. Fake News, kennen wir ja.
„Ich wünsche dir, dass du gesund bist und dass es dir an Leib und Seele gut geht.“ Wie unterschiedlich ist das, was „Gut gehen“ für uns Menschen bedeutet! Wie unterschiedlich sind die Situationen, in denen wir leben.
Eins verbindet jedoch uns alle: Es geht eben nicht immer gut. Der blaue Himmel über Deutschland umspannt die ganze Welt und das macht mir bewusst, dass das Leid und die Not der anderen gar nicht weit weg sind.. Das war auch früher so. Da wussten wir nur viel weniger voneinander, weil es kein Internet und keine Zeitungen und Fernsehen gab.
Und wenn wir in diesen Frühlingstagen voller Freude die blühenden Bäume und Sträuche sehen, können wir nicht ausklammern, wie sehr die ganze Natur gefährdet ist.
Die Erde ist ein Jammertal – das haben die Menschen früher gesagt und dieser Seufzer ist aktuell wieder öfters zu hören.
Und alle guten Wünsche wie unser Monatsspruch zeigen unsere Sehnsucht nach dem Frieden, nach dem vollen Leben.
Was macht nun diesen Wunsch des Johannes so bedeutsam, was verleiht ihm sein Gewicht?
Als Johannes seinen Freund Gajus mit den Worten „Ich wünsche dir, dass du gesund bist und dass es dir an Leib und Seele gut geht“ gegrüßt hat, war das nicht so einfach dahingesagt – wie so viele Grüße. Er steht in einem größeren Zusammenhang. Der allererste Satz in dem Brief heißt: „An meinen Freund Gaius, den ich liebe, weil wir durch die Wahrheit verbunden sind.“ und nach dem Wunsch schreibt Johannes noch, dass er sich gefreut hat als er hörte: „Du hältst an der Wahrheit fest und richtest dein Leben ganz nach ihr aus.“
Was meint er damit? Wahr ist etwas, wenn es hält, was es verspricht. Und das meint: Was von Gott kommt, ist wahr, weil er hält, was er verspricht. Der Zeuge für diese Wahrheit ist Jesus Christus. Nicht, weil es Jesus Christus immer gut ging, nicht, weil es uns in unserem Leben immer gut geht. Sondern weil Jesus Christus durch den Tod hindurchgegangen und von den Toten auferstanden ist. Er ist von Gott als Sohn Gottes bestätigt worden. Er kommt von Gott und ist die Wahrheit selbst.
Wir sind mit ihm durch die Taufe verbunden und dürfen uns deshalb Gottes Kinder nennen. Wir gehören zu ihm, zu dem, der Leid und Tod erfahren und überwunden hat. Deshalb ist es ganz wunderbar, dass wir heute in unserem Gottesdienst die Taufe von Frederik erleben durften. Wahr ist etwas, wenn es hält, was es verspricht. Die Zusage Gottes, dass Frederik Gottes Kind ist, auf die darf er in seinem hoffentlich langen und glücklichen Leben bauen. Diese Wahrheit kann ihm niemand nehmen.
Unser so harmlos klingender Vers ist also tief und fest verankert. Er hat einen festen Grund, auf dem er steht. Wir dürfen uns freuen, wenn es uns gut geht. Aber wir sollten gleichzeitig immer bedenken, woran wir uns halten können, wenn es uns nicht gut geht.
In dem Lied, das wir gleich singen werden, kommt das, in etwas alterümlicher Sprache, sehr gut zum Ausdruck. Es beginnt mit den Worten „In dir ist Freude in allem Leide, o du süßer Jesu Christ“.
Das dürfen wir nicht mißverstehen, so als ob das Leid nicht ernst genommen würde. Es ist unsere Aufgabe, gegen das Leid, gegen Krieg, Hunger und Not alles zu tun, was in unserer Macht steht. Aber das können wir ja nicht ohne eine tiefe Hoffnung auf den, der die Welt in seinen Händen hält. Deshalb singen wir:
Zu deiner Güte steht unser G’müte,
an dir wir kleben im Tod und Leben;
nichts kann uns scheiden. Halleluja.
Ihr Lieben, ich wünsche euch, dass ihr gesund seid und bleibt und dass es euch an Leib und Seele gut gehe und dass ihr in der Wahrheit bleibt.
Amen.