Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis, 25. Juni 2023, in Ahlem

Sun, 25 Jun 2023 20:20:07 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Jona 3,10 – 4,11
Der Predigttext steht im Buch Jona, und wir befinden uns in der Großstadt Ninive: 
10 Und Gott sah, was die Leute taten.
Sie kehrten um von ihrem bösen Weg.
Da tat es Gott leid, dass er sie vernichten wollte.
Er beschloss, seine Drohung nicht wahr zu machen.
 
Jona wird sehr zornig
4 1 Jona ärgerte sich sehr darüber.
Der Zorn packte ihn.
2 Er betete zum HERRN und sagte:
»Ach HERR, genau das habe ich mir schon gedacht,
als ich noch zu Hause war.
Deshalb wollte ich auch nach Tarschisch fliehen.
Ich wusste ja:
Du bist reich an Gnade und Barmherzigkeit,
unendlich geduldig und voller Güte.
Du bist ein Gott, dem das Unheil leidtut.
3 Jetzt ist es genug, HERR.
Lass mich sterben!
Denn ich will lieber tot sein als weiterleben.«
4 Der HERR aber fragte:
»Hast du recht, dass du so zornig bist?«
 
Gott antwortet auf Jonas Zorn
5 Jona verließ die Stadt.
Er suchte sich östlich der Stadt einen Platz
und baute sich dort eine Hütte.
Er setzte sich in ihren Schatten und wollte sehen,
was mit der Stadt geschehen würde.
6 Da ließ Gott, der HERR, eine Rizinus-Pflanze
in die Höhe wachsen.
Die wuchs über Jona empor
und gab seinem Kopf Schatten.
Jona sollte darüber seinen Ärger vergessen.
Er freute sich sehr über den Rizinus.
7 Am Morgen aber, bevor die Sonne aufging,
schickte Gott einen Wurm.
Der biss die Wurzeln durch,
sodass der Rizinus verdorrte.
8 Nachdem die Sonne aufgegangen war,
schickte Gott einen heißen Ostwind.
Die Sonne brannte Jona auf den Kopf,
sodass er fast die Besinnung verlor.
Da wünschte er sich den Tod und sagte:
»Ich will lieber tot sein als weiterleben.«
9 Gott aber fragte Jona:
»Hast du recht, dass du so zornig bist,
weil der Rizinus verdorrt ist?«
Er antwortete:
»Ja, ich habe recht, dass ich so zornig bin
und mir den Tod wünsche!«
10 Da sagte der HERR:
»Die Rizinus-Pflanze tut dir leid.
Doch du hast keine Mühe mit ihr gehabt
und sie auch nicht großgezogen.
Sie wuchs über Nacht und verdarb über Nacht.
11 Und jetzt frage ich dich:
Sollte Ninive mir nicht leidtun –
eine große Stadt mit mehr als 120.000 Menschen?
Sie alle wissen nicht, was links und was rechts ist.
Dazu kommen noch die vielen Tiere.
Sollte es mir da nicht leidtun?«
 
Liebe Gemeinde,

„Erstens kommt es anders,  und zweitens als man denkt“ – dieser Satz wird Wilhelm Busch zugeschrieben. „Erstens kommt es anders,  und zweitens als man denkt“ ist mein Motto für die beiden Geschichten dieses Sonntags. Einmal für die Erzählung vom verlorenen Sohn, die wir vorhin als Lesung gehört haben und dann die von Jona, dem Propheten, der nach unserem Wissen nur einen Satz als Prophet weitergegeben hat: »Noch 40 Tage, dann wird Ninive zerstört!«

Aber von Anfang an: Jona, das war dieser widerspenstige, bockige Mensch, der von Gott den Auftrag bekam, den Bewohnerinnen und Bewohnern der Großstadt Ninive ins Gewissen zu reden. Aber er wollte nicht und ging in die entgegengesetzte Richtung, stieg in ein Schiff, wurde ins Meer geworfen, von einem großen Fisch, den Gott geschickt hatte, verschluckt und an Land wieder ausgespuckt. Nun konnte er nicht anders, er ging in die sündige Stadt Ninive und rief mit einer Drohung zu Umkehr und Buße auf: »Noch 40 Tage, dann wird Ninive zerstört!«

Womit Jona nicht gerechnet hat: Er hatte Erfolg mit seiner  Drohung. „Da glaubten die Leute von Ninive an Gott. Sie riefen ein Fasten aus und zogen Trauerkleider an, alle ohne Ausnahme.“ – Erstens kommt es anders ...

Und Gott? Auch er ändert seinen Plan, Ninive zu zerstören: „Und Gott sah, was die Leute taten. Sie kehrten um von ihrem bösen Weg. Da tat es Gott leid, dass er sie vernichten wollte. Er beschloss, seine Drohung nicht wahr zu machen.“

Jona hätte nun allen Grund gehabt, sich darüber zu freuen. Aber wieder kommt es anders. Er ärgert sich, ist richtig zornig. Er wirft Gott vor, dass er ja so unendlich geduldig und voller Güte sei – schrecklich!! Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Ihm ist alles so zuwider, dass er sagt: „ich will lieber tot sein als weiterleben“. Das ist selbstverständlich eine stark überzogene Reaktion, die der Erzähler wohl um der Pointe willen so zugespitzt hat. Aber solche Gedanken sind uns ja grundsätzlich nicht fremd. Wo bleibt die Gerechtigkeit? 

Mich hat diese Szene an eine Aussage von Jesus in der Bergpredigt erinnert, die bis heute provozieren kann. Jesus sagte: „Gott lässt seine Sonne aufgehen über bösen und über guten Menschen. Und er lässt es regnen auf gerechte und auf ungerechte Menschen.“ Wäre es nicht besser und gerechter,  frage ich mich, wenn Gott die Sonne nur über den guten Menschen aufgehen ließe?? Und wenn die Menschen für das Böse, was sie getan haben, auch bestraft würden? Und zwar möglichst schnell, damit es auch wirkt? 

Jona war zornig auf Gott. Da fragt Gott ihn: »Hast du recht, dass du so zornig bist?« Er ist ganz anders, als Jona ihn haben will: geduldig, ja geradezu pädagogisch will er Jona helfen, das Ganze aus seiner, aus Gottes Sicht, zu betrachten.

Wir haben von dem Rizinus-Strauch und dem heißen Wind gehört. Gott lässt den Strauch hoch über Jonas Kopf wachsen. Bis zu fünf Metern kann er hoch werden.  Der Schatten des Busches hat Jona gefallen. Er hat ihm gut getan. Er wollte ihn auf jeden Fall behalten, und das können wir bei der Hitze dieser Sommertage gut verstehen. Allzu verständlich, wie Jona reagiert, als der Busch am nächsten Morgen verdorrt ist. 

Aber Gott fragt ihn noch mal: »Hast du recht, dass du so zornig bist, weil der Rizinus verdorrt ist?« Denn, so argumentiert er, du hast diese Pflanze, die dir Schatten gibt, ja einfach so bekommen, ohne etwas dafür zu tun! Und jetzt frage ich dich, so Gott weiter: „Sollte Ninive mir nicht leidtun – eine große Stadt mit mehr als 120.000 Menschen? Sie alle wissen nicht, was links und was rechts ist. Dazu kommen noch die vielen Tiere. Sollte es mir da nicht leidtun?« 

Ja, liebe Gemeinde! Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Gott sei Dank! Gott hängt an seinen Menschen, und das sind alle, nicht nur die, die sich nichts zu Schulden kommen lassen – falls es die überhaupt gibt. So gerecht eine Strafe sein kann. Gott vergibt, wenn Menschen ehrlich Buße tun. 

Es ist wie in der Geschichte vom verlorenen Sohn, die wir als Evangeliumslesung gehört haben: In ihr spielt der ältere Sohn die Rolle des Jona. Er ist ebenfalls zornig. Er hatte erwartet, dass der Vater seinen Sohn, der weggegangen ist und sein Erbe verprasst hat, entweder in die Wüste schickt oder wenigstens bestraft. Aber es kam anders: Als er zurückkommt, hat sein Vater Mitleid mit ihm. Und dann heißt es: „Er lief seinem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Dann gab es ein großes Fest und der verlorene Sohn wurde wieder voll und ganz angenommen.

Doch der ältere Sohn, der zuhause bei seinem Vater geblieben war, sagte: ›So viele Jahre arbeite ich jetzt schon für dich! Nie war ich dir ungehorsam. Aber mir hast du noch nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden feiern konnte.“ Zornig und verbiestert, wie er war, hat der ältere Sohn gar nicht mit der Großzügigkeit des Vaters gerechnet, der ihm antwortet: „Mein Sohn, du bist immer bei mir und was mein ist, ist auch dein!“ 

Liebe Gemeinde, beide Geschichten – die von Jona und die vom verlorenen Sohn – zeigen uns: Gott handelt nicht an uns nach dem Motto: jedem Menschen das, was er verdient. Wenn wir Gerechtigkeit so verstehen, ist Gott ungerecht. Gottes Gerechtigkeit geht anders. Gott gibt uns nicht, was wir verdienen, sondern das, was wir brauchen. Und das ist zuallererst seine Vergebung. Immer wieder einen neuen Anfang. Gott will nicht, dass seine Menschen - das sind wir! - verloren gehen. Auch wenn sie Fehler machen und in die Irre gehen - der Sohn, der es zu Hause nicht mehr aushält, die Menschen der Stadt Ninive - Gott lässt sie nicht fallen: er wartet, geht entgegen, feiert ein Fest für den wiedergefundenen Sohn. Und er verschont die Stadt, deren Untergang er beschlossen hat, weil sie ihre Taten bereut. Eindringlich klingt die Botschaft dieser Geschichten: „Wagt umzukehren! Gott empfängt euch mit offenen, barmherzigen, liebenden Armen.“ 

Amen. 

Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 3. Sonntag n. Trinitatis, 25. Juni 2023, in Ahlem  
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