Predigt aus dem Gottesdienst am Sonntag Jubilate, 8. Mai 2022

Sun, 08 May 2022 15:28:24 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Dr. Johannes Neukirch, Gottesdienst am 8.5.2022 in Ahlem  
Predigttext: 1. Mose 1,1-2,4

Liebe Gemeinde,

es liegt ein unglaublich starker Reiz darin zu erfahren, wie alles angefangen hat. Wir wollen das einfach wissen. Wie ist das Weltall mit seinen Milliarden von Sternen und Planeten entstanden. Wie kam es dazu, dass auf dem Planet Erde Leben entstand. Warum hat sich die Natur so vielfältig entwickelt. Seit wann gibt es Menschen. Woher komme ich und wohin gehe ich – das sind die Urfragen der Menschheit.

Die modernen Naturwissenschaften haben dazu faszinierende Erkenntnisse geliefert. Denken Sie nur an die Theorie des Urknalls, die den Beginn des Universums, die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit darstellen will. Und zwar vor ungefähr 14 Milliarden Jahren. Denken Sie an die Erforschung der Entstehung des Lebens, das vor etwa vier Milliarden Jahren mit der Bildung von organischen Molekülen begann. Denken Sie an die Evolutionstheorie, die zu begreifen versucht, wie sich Pflanzen und Tiere weiter entwickelt haben – bis hin zu Menschen, die in der Lage sind, über sich selbst nachzudenken. Deshalb stellen sie eben diese Fragen: Wie ist das alles entstanden, wer hat das geschaffen, woher komme ich. 

Seitdem sich Menschen diese Fragen stellen, versuchen alle Kulturen und Religionen Antworten zu geben. Sie entwickelten in vielen Variationen Vorstellungen davon, wie das alles zustande kam. So  kam es in tausenden von Jahren zu  zahlreichen Schöpfungsgeschichten. Ein Beispiel ist der sumerische Schöpfungsmythos, der zu den ältesten bekannten Schöpfungsmythen gehört und  im 3. Jahrtausend vor Christus entstand. Laut der sumerischen Religion erschuf die Göttin Nammu, die das Urmeer darstellte, zuerst die Erdgöttin Uras und den Himmelsgott An. Aus ihnen gingen zahlreiche weitere Götter hervor. Ein Ältestenrat der höchsten Himmelsgötter hat dann nach einer Rebellion der niederen Götter die Menschen geschaffen. Diese sollten fortan die Mühsal der niederen Götter tragen und allen Göttern – hohen wie niederen – zu Diensten sein.

Da klingt ja unser biblischer Schöpfungsbericht, den wir vorhin gehört haben, vergleichsweise nüchtern. Da gab es keinen Kampf zwischen Göttern, sondern nur den einen Gott, der durch sein Wort alles geschaffen hat. „Gott sprach: »Es soll Licht werden!« Und es wurde Licht.“, „Gott sprach: »Lasst uns Menschen machen – unser Ebenbild, uns gleich sollen sie sein!“ 

Das Wort Gottes schafft die Welt. Das ist ein wichtiger Gedanke, weil er bedeutet, dass es da keine anderen göttlichen oder dämonischen Mächte gibt, die an der Schöpfung beteiligt sind. Ganz interessant ist zum Beispiel, dass es am vierten Tag heißt: „Gott macht zwei große Lichter. (also Sonne und Mond).  Das größere Licht sollte den Tag beherrschen und das kleinere die Nacht. Dazu kamen noch die Sterne. Gott setzte sie an das Himmelsdach, um der Erde Licht zu geben.“  Sonne, Mond und Sterne wurden im Alten Orient als Gottheiten verehrt! In unserem Schöpfungsbericht sind es nur noch Lampen mit der Funktion, die Erde zu beleuchten. Sie haben keine Macht über uns! 

Aber auch in unserer Bibel gibt es eine Variante, einen zweiten Schöpfungsbericht direkt nach dem ersten. Er ist nicht ganz so nüchtern, er ist älter und urtümlicher als der, den wir vorhin gehört haben. Dort ist Gott eher eine Art Handwerker: „Da formte Gott der Herr den Menschen aus Staub vom Erdboden. Er blies ihm den Lebensatem in die Nase, und so wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.“ 

Liebe Gemeinde, es ist ein langer Weg von den ältesten Schöpfungsmythen über die biblischen Texte bis hin zu den letzten Erkenntnissen der Naturwissenschaften, die die letzten Fragen übrigens auch noch nicht gelöst haben. Vor allen Dingen nicht die Frage, was denn VOR dem Urknall war.
Was machen wir mit diesen Texten und dem ganzen Wissen und all den Theorien und Erkenntnissen?

Entscheidend ist, dass es in den religiösen Texten nicht um Wissen im Sinne des naturwissenschaftlichen Wissens geht. Ich weiß, dass es fundamentalistische Richtungen gibt, die darauf bestehen, dass Gott die Welt in genau den sieben oder genau genommen sechs Tagen – am siebten hat er ja geruht – geschaffen hat. Und dass er die ganze Natur in ihrer Vielfalt auf einmal geschaffen hat und sie sich nicht in Millionen von Jahren entwickelt hat. Aber darum geht es in der Bibel überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: So eine Interpretation geht völlig an der beabsichtigten Wirkung biblischer Texte vorbei. Diese wollen doch nicht die Tage zählen, sondern uns in eine Beziehung zu dem Gott setzen, der alles erschaffen hat. 

Die Menschen, die unseren wunderbar schönen poetischen Text geschrieben haben, hatten selbstverständlich noch nicht unser heutiges Wissen. Wenn sie es gehäbt hätten, hätten sie einiges anders formuliert. Aber es ging ihnen ja überhaupt nicht um Fakten. Sie erzählen aus ihrem Glauben, aus ihrem Gottvertrauen heraus, wie schön es ist, dass Gott Ordnung in das Chaos gebracht hat. Sie sagen in poetischer Form, dass er Freude an der Natur hat, dass er jeden Tag alles sehr gut fand, was er gemacht hatte und dass er alles Geschaffene gesegnet hat. 

Unser Schöpfungsgedicht will sagen, dass Gott das für uns gemacht hat und damit unserem Leben einen Rahmen geben. Und vor allen Dingen sagt es: Gottes Segen liegt auf der Schöpfung! 

Wir können doch völlig problemlos die spannenden neuesten naturwissenschaftlichen Ergebnisse verfolgen und gleichzeitig andächtig den Satz hören: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.“ Denn dieses „es war sehr gut“ hat eine ungeheure Bedeutung für uns, die durch nichts zu ersetzen ist!

Mit diesem Satz bekommen Himmel und Erde, Tiere, Pflanzen und Menschen  eine eigene göttliche Würde, eine besondere Bedeutung, einen unschätzbaren Wert. Und daraus wiederum ergibt sich wie von selbst, dass wir sorgsam damit umgehen sollen. 

Dies zeigt sich auch in dem grandiosen Schluß der Schöpfung. Da gibt es keinen schöpferischen Höhepunkt, sondern „an diesem Tag ruhte Gott aus von all seinen Werken, die er geschaffen und gemacht hatte. Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn zu einem heiligen Tag.“ 

Vielleicht ist dies sogar der wichtigste Tag der Schöpfungsgeschichte. Denn es heißt nicht nur, dass Gott ruhte – das würde unserer Welt gut tun, wie wir wissen - sondern auch, dass Gott am siebten Tag sein Werk vollendet hat. 

 Ein vollendetes Werk Gottes macht man nicht kaputt, das respektiert man, ehrt man, dafür lobt man Gott. Und „vollendet“ bedeutet auch, dass Gott uns in seiner Hand hält. Vollendete Schöpfung bedeutet doch, das Leben und Tod Teil des Ganzen, also in ihr aufgehoben sind.

Wenn wir die biblische Schöpfungsgeschichte hören, liebe Gemeinde, dann erfahren wir, worauf der Mensch vertrauen kann und wozu er lebt. Gott hat uns genau so wie die Tiere und Pflanzen gewollt und uns als sein Ebenbild beauftragt, die Schöpfung zu bewahren. So etwas erfahren wir nur hier!

„Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk, das er gemacht hatte.“

Amen
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