Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Predigttext: Jesaja 49,1-6

Liebe Gemeinde, 
Stellenausschreibung: Gesucht: eine Retterin oder ein Retter. 
Gesucht wird jemand, der Kriege und Gewalttaten beenden kann. Nicht nur  in der Ukraine. Auch im Jemen, in Syrien, in Nahost, überall wo Krieg und Gewalt das Leben der Menschen zur Hölle macht. 
Gesucht wird jemand – Frau, Mann, divers – der Ideen hat, wie hungrigen Menschen ihr Recht auf das tägliche Brot gewährt werden kann. 
Gesucht wird jemand, der stark genug ist, Diktatoren zu widerstehen. 
Dringend gesucht: eine Retterin oder ein Retter des Weltklimas. Jemand, der Menschen dazu bewegen kann, weniger Ressourcen zu verbrauchen ohne dass es einen Aufstand gibt.
Gesucht: Jemand, der etwas von Gerechtigkeit versteht, weltweit, in Deutschland. Jemand, dem wir vertrauen können, wenn es um Themen wie Energiekrise und Gaspreisbremse und Mietpreisbremse geht. 
Wer hat Rezepte für die Bekämpfung der Pandemie?
Gesucht: eine Person, die den Pflegenotstand managen kann, die entscheiden kann, was mit den Krankenhäusern passieren soll, mit den landwirtschaftlichen Betrieben, mit den Schulen, mit der Vertiefung der Außenems, mit der Wochenarbeitszeit und so weiter und so fort. Heute entscheiden Sie, auf wen Sie in Niedersachsen setzen.

Stellenausschreibung: Gesucht: eine Retterin oder ein Retter. Frau, Mann, divers – Hauptsache, er oder sie hat das große Ganze im Blick!

Erstaunlicherweise gibt es ja immer wieder Menschen, die sich bzw. ihrer Regierung, ihrer Partei, so eine Stelle zutrauen. Sie präsentieren sich als Retterin oder Retter oder behaupten zumindest, dass andere Rettungsversuche als die eigenen falsch sind. Sie müssen das wohl behaupten, weil sie sonst nicht an die Macht kämen. Wenn eine Präsidentin oder ein Präsident sagen würde: Vielleicht weiß ich was – man könnte mal dies oder das probieren – würde wohl niemand ihn oder sie ernst nehmen. Schade eigentlich. Denn dieser Absolutheitsanspruch „ich bin die Retterin, der Retter“ hat unendlich viel Leid in der Weltgeschichte verursacht.

Könnten Sie in diese Rolle schlüpfen? Hätten Sie die Lösungen parat? .......

In der Bibel ist oft von einem Retter die Rede, das wundert uns  nicht. Zum Beispiel in einem Text aus dem Buch des Propheten Jesaja, der vom Gottesknecht handelt. Wer das genau ist, erfahren wir nicht wirklich. Aber wir wissen, dass die frühe Christenheit geglaubt hat, dass Jesus dieser Gottesknecht ist. Ein Glaube, den wir bis heute teilen. Hören Sie selbst, was Jesaja schreibt: 

49 1 Hört mir zu, ihr Bewohner der Inseln! / Gebt acht, ihr Völker in der Ferne! / Der HERR hat mich in seinen Dienst gerufen, / als ich noch im Mutterleib war. / Schon im Schoß meiner Mutter / hat er mir meinen Namen gegeben. 
2 Er hat mir Worte in den Mund gelegt, / so scharf wie ein Schwert. / Versteckt in seiner Hand, / hat er mich bereitgehalten. / Wie einen spitzen Pfeil / hat er mich in seinem Köcher aufbewahrt.
3 Er sagte zu mir: »Du bist mein Knecht. / Du trägst den Namen ›Israel‹. / Durch dich will ich zeigen, wie herrlich ich bin.«
4 Ich aber sagte: »Ich habe mich vergeblich bemüht, / für nichts und wieder nichts meine Kraft vertan. / Doch der HERR verhilft mir zu meinem Recht, / mein Gott wird mich belohnen.« 
5 Ja, der HERR hat mich schon im Mutterleib / zu seinem Knecht gemacht. / Ich sollte Jakob zu ihm zurückführen / und ganz Israel bei ihm versammeln. / So wichtig war ich in seinen Augen, / mein Gott gab mir die Kraft dazu. 
6 Und jetzt sagt er: »Ja, du bist mein Knecht. / Du sollst die Stämme Jakobs wieder zusammenbringen / und die Überlebenden Israels zurückführen. / Aber das ist mir zu wenig: / Ich mache dich auch zu einem Licht für die Völker. / Bis ans Ende der Erde reicht meine Rettung.« 

Der Retter ist in Sicht! Der Gottesknecht soll Israel im Babylonischen Exil, also in der Gefangenschaft, retten, aus der Sklaverei herausführen. Und noch viel mehr: Er soll ein Licht für die Völker werden, denn Gottes Rettung reicht bis ans Ende der Erde! Das ist der Anknüpfungspunkt für das Christentum, weil ja Jesus auch diese globale Retter-Rolle hat.

Aus welchem Holz ist so ein Gottesknecht geschnitzt?

Wichtig finde ich: der Gottesknecht wie ihn Jesaja beschreibt, ist von Gott selbst beauftragt. Er handelt nicht aus eigenem Interesse, aus Nationalismus heraus, nicht im Parteiinteresse, er ist kein Narzisst, er stellt sich nicht über die Dinge. Das Wort „Knecht“ klingt ja nicht schön in unseren Ohren. Ich verstehe das hier so:  Er handelt  als einer, der Weisungen entgegennimmt, nicht auf eigene Rechnung. Er wird beauftragt. 

Der Gottesknecht hält sich nicht für unfehlbar, er ist kein Supermann. Er kann  auch mal sein Versagen eingestehen: „Ich habe mich vergeblich bemüht, / für nichts und wieder nichts meine Kraft vertan.“ Er weiß, dass nur Gott ihn ausrüsten und ihm Macht verleihen kann. Und vor allen Dingen: alle seine Kraft kommt von Gott. Durch ihn, durch ihn hindurch will Gott seine Herrlichkeit zeigen.

Er erfüllt seinen Auftrag nicht mit einem Heer, nicht mit Waffengewalt. Die Menschen sollen ihm zuhören!! „Er, also Gott, sagt der Gottesknecht, „hat mir Worte in den Mund gelegt, / so scharf wie ein Schwert. / Versteckt in seiner Hand, / hat er mich bereitgehalten. / Wie einen spitzen Pfeil / hat er mich in seinem Köcher aufbewahrt.“ Er hat etwas zu sagen, kein Zweifel. Worte des Gottesknechtes Jesus lauten zum Beispiel: Glückselig, sind die, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit; die barmherzig sind; die Frieden stiften ...

Trotzdem ist er darauf angewiesen, dass ihm Menschen zuhören und dementsprechend handeln. Gott will etwas von uns. Auch wenn wir zweifeln, auch wenn wir mit unserem Auftrag hadern.

Gesucht: eine Retterin oder ein Retter. Mann, Frau, divers – wie auch immer. Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Jesus Christus diese Stelle, diese Aufgabe, diesen Job übernommen hat.  Er handelte nicht auf eigene Rechnung, nicht, um sich groß zu machen, sondern für uns. Er hat Gottes Willen voll und ganz erfüllt und uns den Weg zu seinem Vater freigemacht.

Mit Jesus als Gottesknecht bekomme das Gottesknecht-Lied des Jesaja eine andere Richtung und wir können die Stellenanzeige neus formulieren: Gesucht sind Menschen, die sich von Jesus Christus anrühren lassen und auf seine Rettung vertrauen. Gesucht sind Menschen, die auf Jesus Christus vertrauen und dabei selbst zu Retterinnen und Rettern werden. Menschen, denen immer klar ist, dass sie im Auftrag Gottes handeln und die deshalb nicht überschnappen und sich nicht mit dem Retter der Welt verwechseln und auch niemandem blind hinterher-rennen, der behauptet die Welt retten zu können. 

Gesucht sind Menschen, die mit dem Gottesknecht sagen: „Ja, der HERR hat mich schon im Mutterleib / zu seinem Knecht gemacht. / So wichtig war ich in seinen Augen, / mein Gott gab mir die Kraft dazu.“

Amen.

 Dr. Johannes Neukirch, Predigt im Gottesdienst in Badenstedt am 9.10.2022