Predigt aus dem Gottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis, 18. September 2022

Sun, 18 Sep 2022 16:08:22 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Jesaja 12,1-6, Das Danklied der Erlösten
12 1 Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR! Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest.
2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
3 Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils.
4 Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist!
5 Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen.Solches sei kund in allen Landen!
6 Jauchze und rühme, die du wohnst auf Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!

Liebe Gemeinde,
Sie haben es schon gemerkt: Mit den Liedern heute sind wir heute ganz und gar in der Abteilung „Loben und Danken“.  Du, meine Seele, singe / Ich singe dir mit Herz und Mund / Danket dem Herrn.  Nach der Predigt kommt dann noch „O daß ich tausend Zungen hätte und einen tausendfachen Mund, so stimmt ich damit um die Wette vom allertiefsten Herzensgrund ein Loblied nach dem andern an von dem, was Gott an mir getan.“ Alle Dichter dieser Lieder haben selbstverständlich unseren Predigttext aus dem Buch des Propheten Jesaja gut gekannt. Das „Danklied der Erlösten“, so in der Lutherbibel, das „Danklied der Geretteten“ in der Basisbibel.

Nun können wir sagen: Da hat also der Prophet Jesaja vor beinahe dreitausend Jahren ein Danklied aufgeschrieben. Was geht uns das an? Wir sind doch nicht mehr davon betroffen,  dass vor dieser langen Zeit das Volk Israel vielleicht für einen gewonnenen Krieg ein Loblied anstimmt.

Genau so können wir auch sagen: Was haben mit der Dankbarkeit unserer Liederdichter zu tun, das ist auch schon alles lange her - Karl Friedrich Herrosee hat sein Danket dem Herrn um 1810 geschrieben, Johann Mentzer sein „O daß ich tausend Zungen hätte" im Jahr 1704, und Paul Gerhardt  hat „Ich singe dir mit Herz und Mund“ und „Du meine Seele singe“ 1653 verfasst. 

Und doch ist es einfach schön, und doch tut es gut – jedenfalls hoffe ich, dass das bei Ihnen auch so ist – wenn wir das Danklied des Jesaja hören oder ein traditionelles Danklied singen. Sogar dann, wenn uns mal nicht nach Loben und Danken zumute ist ....  Warum ist das so? Was geben uns diese Texte?

Sicherlich ist da schon einmal die schöne Sprache: „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils.“ Das ist doch so, als würde uns jemand in den Arm nehmen und sagen „Alles wird gut!“, Oder ein Vers von Paul Gerhardt: „Wohlauf, mein Herze, sing und spring und habe guten Mut! Dein Gott, der Ursprung aller Ding, ist selbst und bleibt dein Gut.“ Das sind doch heilsame Worte! Stimmungsaufheller!

Das zweite ist der Umgang mit der Zeit. Einige von Ihnen und euch waren ja am Freitag dabei: Lange Nacht der Kirchen in den Rosebuschverlassenschaften. Wer in dieser riesigen Halle umhergeht, kann gar nicht anders als über die Zeit nachzudenken. Dort sind Hinterlassenschaften: Anhäufungen von Eisen- und Gummiteilen, Matten, Pritschen, Behälter, Massen von Riemen, Tauen, Schuhen, Namenslisten und Gemälde von schemenhaften Menschen. Das alles ist aus der Vergangenheit, es hat den Zweck zu erinnern und fordert  uns heraus, über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nachzudenken. Die Ausstellung für die Lange Nacht der Kirchen hatte den Titel „Die Unumkehrbarkeit der Zeit“. Das ist schwer zu akzeptieren, dass die Zeit unumkehrbar ist ....

Wenn wir auf das Danklied von Jesaja schauen, dann sehen wir alle Formen der Zeit:  Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 

Gott WAR zornig. Die Erfahrung kennt jede und jeder: der Zorn ist verraucht, die Luft ist wieder klar, alles ist wieder gut. Hoffentlich! Und hoffentlich bleibt nichts zurück .... Mancher hat auch mit Gott Ähnliches erlebt: wenn ein Schicksalsschlag nach dem anderen in den Lebenslauf platzt und verdaut werden muss. Aber vielleicht wurde es wieder besser, kamen neue Entwicklungen, die das Leben wieder leichter machten. Eine neue Arbeit, eine neue Liebe nach Trennung und Einsamkeit. Wie oft sagen wir  „Gott sei Dank“ ist das wieder in Ordnung, geht das Leben weiter. „Ich danke dir, HERR!“, sagt Jesaja, „Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest.“

Die Gegenwart sieht bei Jesaja so aus: „Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.“ Können wir das mitsprechen? Wenn jemand gerade eine schöne Erfahrung gemacht hat, dann sicher ja. Wenn jemand noch im Unglück drinsteckt, ist es schwierig, so etwas zu sagen. Aber es ist nicht unmöglich, weil wir das auch auf Hoffnung hin mitsprechen dürfen. Gott der Herr ist mein Heil, meine Stärke – das gilt auch, wenn wir gerade andere Erfahrungen machen. Es ist als Gegenwart formuliert, weil Jesaja sicher ist, dass wir alle, egal wie es uns gerade geht, eines Tages so fühlen werden. Denn es gibt eine Zukunft.

Die kündigt Jesaja so an: „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils. Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen!“ Das wird so sein, die Zeit wird kommen, da ist er sich sicher. 

Eine Zukunftsansage haben wir auch vorhin in der Lesung gehört: „Sind wir aber Kinder Gottes, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.“ Das ist eine schöne Ansage!

Liebe Gemeinde, ich habe anfangs die Frage gestellt, ob  uns der Dank des Jesaja oder der Liederdichter überhaupt noch etwas angeht. Ich denke: Ja. Denn immer wenn wir Gott danken, denken wir nicht nur Vergangenes und Gegenwärtiges, sondern auch die Zukunft mit. - Das Danklied verschmilzt die Zeiten! 

In dem Lied, das wir gleich singen werden, ermuntert uns der Liederdichter deshalb, Gott zu loben, auch wenn uns vielleicht eigentlich ein Seufzen auf den Lippen liegt:  „Ich will von deiner Güte singen, solange sich die Zunge regt; ich will dir Freudenopfer bringen, solange sich mein Herz bewegt; ja, wenn der Mund wird kraftlos sein, so stimm ich doch mit Seufzen ein."

Ich habe ihnen ein Bild mitgebracht. Die Hauptsache der Ausstellung „Von der Unumkehrbarkeit der Zeit“ habe ich noch gar nicht erwähnt: MItten in den ganzen Hinterlassenschaften, in diesen Bergen von vergangener, angehäufter Zeit, stehen Gemälde von Almut Breuste. Und mir gefällt ganz besonders dieses kleine Mädchen, weil es so mutig und kräftig und unbekümmert vorangeht. Sie verkörpert geradezu unseren Jesaja-Text und die Lieder. Sie geht voran, als hätte sie gerade unseren Jesajatext gelesen:

Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR! Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest.
Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils.
Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist!
Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen.Solches sei kund in allen Landen!
Jauchze und rühme, die du wohnst auf Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!
Amen.

Dr. Johannes Neukirch, Predigt im Gottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis, 18.9.2022, in Ahlem 
Quelle: Foto: Johannes Neukirch
Gemälde von Almut Breuste
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