Predigt am Sonntag Jubilate, 30. April 2023, im Gottesdienst in Velber

Sun, 30 Apr 2023 15:37:11 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Johannes 16,16-23a, Abschied und Wiedersehen

16 »Es dauert nur noch kurze Zeit,
dann werdet ihr mich nicht mehr sehen.
Doch noch einmal kurze Zeit später
werdet ihr mich wiedersehen.«
 
17 Da fragten die Jünger einander:
»Was bedeutet das, wenn Jesus zu uns sagt:
›Es dauert nur noch kurze Zeit,
dann werdet ihr mich nicht mehr sehen.
Doch noch einmal kurze Zeit später
werdet ihr mich wiedersehen‹?
Und: ›Ich gehe zum Vater‹?«
 
18 Sie fragten weiter: »Was bedeutet das,
wenn er sagt: ›Es dauert nur noch kurze Zeit‹?
Wir verstehen nicht, wovon er redet.«
 
19 Jesus merkte, dass sie ihn fragen wollten.
Deshalb erklärte er ihnen:
»Ich habe gesagt: ›Es dauert nur noch kurze Zeit,
dann werdet ihr mich nicht mehr sehen.
Noch einmal kurze Zeit später
werdet ihr mich wiedersehen.‹
Macht ihr euch nun darüber Gedanken?
 
20 Amen, amen, das sage ich euch:
Ihr werdet weinen und klagen,
aber diese Welt wird sich freuen.
Ja, ihr werdet traurig sein,
aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln.
 
21 Es ist wie bei einer Frau: Sie leidet Schmerzen,
wenn sie ein Kind zur Welt bringt –
ihre Stunde ist gekommen.
Aber wenn das Kind geboren ist,
denkt sie nicht mehr an ihre Angst.
Sie freut sich nur noch,
dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
 
22 Auch ihr seid jetzt traurig.
Doch ich werde euch wiedersehen.
Dann wird euer Herz voll Freude sein,
und diese Freude kann euch niemand mehr nehmen.
 
23 An diesem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen.
 
Liebe Gemeinde,
in unserer normalen Zeitrechnung sind wir jetzt mitten im Frühling, Ende April, morgen beginnt der schöne Monat Mai. Am Anfang des Frühlings heißt es immer „Die Natur erwacht“, jetzt ist sie wach und in den Gesprächen geht es oft um die großen und kleinen Gärten, und sei es nur der Salat auf dem Balkon. Jeder warme Sonnentag wird bejubelt. Es ist ja auch schön zu beobachten, wie alles grün und bunt und lebendig wird. Das macht einfach gute Laune.
 
In der Rechnung des Kirchenjahres sind wir mitten in der österlichen Freudenzeit. Sie beginnt in der Osternacht und geht bis zum Pfingstmontag, also bis Ende Mai. Und heute, wie gesagt, ist das Thema „Jubeln, jauchzen, sich freuen“.
„Seit Ostern müssten Christen eigentlich nur noch jubilieren. Nicht nur am Sonntag Jubilate“ schrieb jemand. Und weiter: „Schließlich hat Gott Jesus auferweckt und dem Tod das letzte Wort entzogen. Dies feiert die Kirche weltweit jeden Sonntag.“ Und vielleicht hat jemand auch den bekannten Satz des Philosophen Friedrich Nietzsche im Ohr, der über die Christen schrieb: „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne. Erlöster müssten mir seine Jünger aussehen.“
 
Da hat er ja in gewisser Weise Recht. Wenn uns nur der Jubel nicht immer wieder im Hals stecken bliebe. In diesem Jahr fiel der Gedenkgottesdienst zur Befreiung des Ahlemer Konzentrationslagers ausgerechnet auf den Ostermontag. Ich stand also auf dem Appellplatz des ehemaligen Lagers und begann meine Predigt mit den Worten „Auf diesem Appellplatz gelingt der Osterjubel nicht so recht.“ Was hätte ich denn anderes sagen sollen?
 
Jubeln – während in der Ukraine ein furchtbarer Krieg tobt, und nicht nur dort – denken wir an den Sudan, an Syrien, an den Jemen. Jubeln – während Menschen flüchten müssen, hungern, und selbst in wohlhabenden Ländern bei einigen das Geld nicht bis zum Monatsende reicht, Medikamente und Pflegekräfte fehlen? 
 
Die Frauen und Männer, die mit Jesus durch das Land am Jordan zogen, sahen auch viel Not und Elend. Aber sie hatten ja den bei sich, der Wunder tun konnte. Der mit wenigen Broten und Fischen Tausende Menschen satt gemacht hat. In seiner Nähe konnten Lahme wieder laufen, Blinde wieder sehen, Taube wieder hören. Sogar Tote hat er wieder ins Leben zurückgerufen.
 
Nun kam diese Zeit mit Jesus aber an ihr Ende. Das wusste Jesus. Den Frauen und Männer um ihn herum war das aber noch nicht so richtig bewusst. Sie dachten, dass Jesus die ganze bestehende Welt verändern wird. Sie ahnten nicht, dass eine Unterbrechung des bisherigen Weges kommen wird. Sie ahnten nicht, dass die ganze Geschichte mit seinem Tod am Kreuz enden wird. Erst recht nicht, dass Gott ihn dann am dritten Tag von den Toten auferwecken wird.
 
Deshalb musste Jesus sie auf diesen drohenden Schock vorbereiten, was  er in den so genannten Abschiedsreden macht, aus denen unser Predigttext stammt. Er wollte ihnen irgendwie klar machen, dass sie auf ein Leben zugingen, in dem er als Lehrer und Wundertäter und Erlöser nicht mehr sichtbar bei ihnen sein wird. Sie mussten bald auf eigenen Füßen stehen. Und das bedeutet: Auf sie werden Situationen zukommen, in denen ihnen die Freude über den Sohn Gottes, über den Retter der Welt, über den Erlöser im Halse stecken bleibt. Weil er nicht mehr sichtbar da ist, nicht mehr direkt eingreifen wird, nicht mehr predigen und heilen wird wie sie es kannten. Weil die Welt mit all ihren Problemen erst einmal so weiter laufen wird.
 
Jesus sagt zu ihnen: 16 »Es dauert nur noch kurze Zeit, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen. Doch noch einmal kurze Zeit später werdet ihr mich wiedersehen.«
Die Jüngerinnen und Jünger verstanden nicht, was er meinte. Wir wissen es selbstverständlich: Das „nicht mehr sehen“ meint seinen Kreuzestod, das „ihr werdet mich wiedersehen“ meint seine Auferstehung.
 
Worauf Jesus hinaus will, das zeigt sich dann in den folgenden Worten: „Amen, amen, das sage ich euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber diese Welt wird sich freuen. Ja, ihr werdet traurig sein, aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln.“
 
Und: „Ihr seid jetzt traurig. Doch ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand mehr nehmen.“
 
Was Jesus damals seinen Begleiterinnen und Begleitern gesagt hat, liebe Gemeinde, bestimmt bis heute unseren Glauben. Nur die Dimension der Zeit ist eine andere geworden. Was er seinen Jüngerinnen und Jüngern damals für die Zeit von Karfreitag bis Ostern und kurz danach gesagt hat, er sagte ja:  „es dauert nur noch kurze Zeit“, das ist für uns der Dauerzustand. Wir können immer noch nicht sagen, dass die ganze Welt sich freut und jubiliert – die neue Welt ist noch nicht da. Was wir aber sagen können, ist, dass sich immer wieder Trauer in Freude verwandelt. 
 
Jesus ist auferstanden – wenn das die Überschrift über unser Leben ist, dann haben wir eine Perspektive, einen Blick auf die Welt, der uns Hoffnung gibt.
 
Deshalb bringt Jesus das Beispiel einer Frau, die ein Kind bekommt: 
Es ist wie bei einer Frau: Sie leidet Schmerzen, wenn sie ein Kind zur Welt bringt –
ihre Stunde ist gekommen. Aber wenn das Kind geboren ist, denkt sie nicht mehr an ihre Angst. Sie freut sich nur noch, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.“
 
Liebe Gemeinde, die Osterbotschaft verhindert nicht, dass uns der Jubel manchmal im Halse stecken bleibt. Aber sie sagt, dass sich unserer Trauer in Freude verwandeln wird. Das gibt Hoffnung, das lässt uns den nächsten Schritt tun und an der Veränderung der Welt mitarbeiten.
 
In dem Lied, das wir vorhin gesungen haben, kommt das so schön zum Ausdruck:
Gott gab uns Hände, damit wir handeln.
Er gab uns Füße, dass wir fest stehn.
Gott will mit uns die Erde verwandeln.
Wir können neu ins Leben gehn.
 
Ein Satz voller Sonne: Wir können neu ins Leben gehen – Jesus sagt: „Dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand mehr nehmen“.
 
Um diesen Glauben und um diese Hoffnung bitten wir ihn.
Amen
 
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am Sonntag Jubilate, 30. April 2023,  im Gottesdienst in Velber 
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