Predigt am Sonntag Palmarum, 13. April 2025

Tue, 22 Apr 2025 09:55:29 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Predigttext: Jesaja 50,4-9

Liebe Gemeinde,

"Wir müssen das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen" - wie oft habe ich diesen Satz schon gehört - und Sie sicherlich auch. Er gehört zum Standardrepertoire bei Politikerinnen und Politikern, zur Zeit, es sind Koalitionsverhandlungen, besonders oft. . Viele Menschen, so scheint es jedenfalls, haben das Vertrauen in die Politik verloren. Also das Vertrauen, dass Politikerinnen und Poltiker ausschließlich zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger Entscheidungen treffen und handeln. 

Leider haben viele Menschen auch das Vertrauen in die Kirchen verloren. Vor allem wegen der Missbrauchsfälle. Deshalb ist dieser Satz "wir müssen das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen" auch von Kirchenleuten zu hören.

Es ist sehr schön, Vertrauen zu jemandem zu haben und andersherum auch: wenn Menschen uns vertrauen. Aber es geht schnell, Vertrauen zu verlieren. Das zeigt sich ganz besonders in Liebesbeziehungen. Wie schnell ist ein falsches Wort gesagt, wie schnell kommt eine falsche Reaktion. Und wie schwer ist es dann, wieder zum alten Vertrauen zurückzukommen.
Vertrauen zurückgewinnen - warum ist das so schwer?

Vertrauen geht nur mit einem Vorschuss. Wenn ich jemandem Vertrauen schenke, dann geschieht das in die Zukunft hinein. Das ist immer riskant, selbst bei kritischer Prüfung. Ich weiß nicht hundertprozentig sicher, ob der Politiker seine Versprechen, die er vor der Wahl gibt, auch nach der Wahl tatsächlich verwirklicht. Ich weiß nicht, ob der Pastor sich anständig verhält. Ich weiß nicht, ob die Freundin das Geld zurückzahlt, das ich ihr leihe. Ich weiß nicht, ob der Partner oder die Partnerin mir wirklich treu ist und ob alles stimmt, was er oder sie sagt. 
Trotzdem: Ohne Vertrauen, ohne diesen Vorschuss, können wir nicht normal leben. Leider wird unser Vertrauen immer wieder mißbraucht.

Unser Predigttext handelt von einem Menschen mit der etwas rätselhaften Bezeichnung  "Gottesknecht". Wir beschäftigen uns mit ihm, weil er ein erstaunlich großes Vertrauen in Gott hat.

Nun ist für uns die Vorstellung eines Knechts bzw. einer Magd nicht gerade positiv. Die gibt es ja bei uns gar nicht mehr, aber wir können uns vorstellen, wie das war: Ein Knecht, eine Magd, ist total abhängig von einem Herrn oder einer Herrin. Andererseits tragen - im Idealfall -  diese wiederum die Verantwortung für das Leben und den Schutz und die Versorgung des Knechts oder der Magd. Dieses gegenseitige Verhältnis lässt sich auf die Beziehung zwischen Gott und den Menschen übertragen. Wir sind abhängig von Gott dem Schöpfer und Erhalter. Gleichzeitig können wir im Gebet an Gottes Hilfe und Schutz appellieren. 

Beim Propheten Jesaja gibt es mehrere Lieder über die Figur des Gottesknechtes. Singen kann man die nicht, aber die Sprache ist poetisch, deshalb werden sie "Lieder" genannt. Das dritte Gottesknechtlied ist unser Predigttext und lässt den Gottesknecht selbst zu Wort kommen.  Ich lese den Pedigttext aus Jesaja 50:

 4 Gott, der HERR, nimmt meine Zunge in die Lehre. / Als sein Schüler kann ich dem Erschöpften / ein Wort zusprechen, das ihm Mut macht. / Jeden Morgen öffnet er mir die Ohren. / So kann ich auf ihn hören, / wie ein Schüler auf seinen Lehrer hört.

5 Gott, der HERR, hat mir die Ohren geöffnet. / Ich habe mich nicht verschlossen / und mich seinem Auftrag nicht entzogen.
6 Als sie mich schlugen, / habe ich ihnen den Rücken dargeboten. / Als sie mir den Bart ausrissen, / habe ich meine Wangen hingehalten. / Mein Gesicht habe ich nicht verhüllt, / als sie mich beschimpften und anspuckten.
7 Aber Gott, der HERR, steht mir bei. / Darum lasse ich mich nicht einschüchtern. / Ich mache mein Gesicht hart wie einen Kieselstein. / Denn ich weiß, dass ich nicht enttäuscht werde.
8 Gott ist mir nahe, / er setzt mein Recht durch. / Wer will mich da noch anklagen? / Der soll ruhig mit mir vor Gericht ziehen! / Wer will mein Recht anfechten? / Der soll nur kommen!
9 Ja, Gott, der HERR, steht mir bei. / Wer will mich da noch verurteilen? / All meine Gegner zerfallen wie ein Kleid, / das von Motten zerfressen ist.

Was für ein großes Vertrauen sehen wir hier: Der Gottesknecht wird geschlagen und gequält. Und sagt dann: Ich weiß, dass ich nicht enttäuscht werde, Gott ist mir nahe, er setzt mein Recht durch, er steht mir bei.
Wie schön wäre es doch, wenn wir so ein großes Vertrauen in Gott hätten.

Wenn wir die beiden ersten Verse unseres Liedes ernst nehmen, dann hilft uns Gott selbst, dass wir zu Gottesknechten werden und macht uns zu solchen Menschen. 
"Gott der Herr nimmt meine Zunge in die Lehre" heißt es - er gibt uns Worte, auf die wir vertrauen können. Diese Worte können wir weitergeben: "Als sein Schüler kann ich dem Erschöpften / ein Wort zusprechen, das ihm Mut macht."

Gott sorgt dafür, dass wir ihm zuhören: "Jeden Morgen öffnet er mir die Ohren. / So kann ich auf ihn hören, / wie ein Schüler auf seinen Lehrer hört. Gott, der HERR, hat mir die Ohren geöffnet. / Ich habe mich nicht verschlossen / und mich seinem Auftrag nicht entzogen."

Was hören wir denn, wenn Gott uns die Ohren öffnet und mit welchen Worten können wir anderen Mut zusprechen, wenn Gott unsere Zunge in die Lehre nimmt? Von welchen Worten bekommen wir Vertrauen?
Der Prophet Jesaja spricht von der Zukunft, auf die wir unser Vertrauen richten können, so: 
"Er, Gott,  wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat's gesagt." 

Liebe Gemeinde,
ohne Vertrauen können wir nicht leben. Aber wir können uns das Vertrauen auch nicht selber machen. Dass wir verletzlich sind, gehört dazu. Wir können enttäuscht werden. Auch der Gottesknecht in unserem Text muss leiden. Aber wir sehen, welch ein großes Vertrauen Gott ihm schenkt, so dass er seine Hoffnung auf Gott nicht verliert. Lasse Sie uns darum bitten, dass Gott auch uns so ein Vertrauen gibt.

Was uns dabei helfen kann, ist, diesen Text von der Auferstehung Jesu her zu verstehen. Aus der christlichen Perspektive ist Jesus der Gottesknecht - er wird im Neuen Testament oft so genannt.

Wir gehen jetzt in die Karwoche und denken daran, dass der Gottesknecht Jesus leiden und sterben musste. Gleichzeitig gehen wir auf Ostern zu. An Ostern bestätigt Gott das Vertrauen, das wir in ihn setzen. Er hat seinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferweckt.

Gott zeigt damit, worauf er hinaus will, was sein Ziel ist. Dass uns das Vertrauen auf seine Macht die Hoffnung gibt, die wir im Leben brauchen. Dass wir im Vertrauen auf ihn Kraft bekommen, zu sagen: "Aber Gott, der HERR, steht mir bei. / Darum lasse ich mich nicht einschüchtern. / Ich mache mein Gesicht hart wie einen Kieselstein. / Denn ich weiß, dass ich nicht enttäuscht werde."

In dieser Gewißheit können wir den Erschöpften  Worte zusprechen, die ihnen Mut machen.

Amen. 

Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 13.4.2025 in Ahlem
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