Dr. Johannes Neukirch, Gottesdienst am 15.4.2022 in Ahlem
Predigttext: Lukas 23,32-49
Es ist später Nachmittag geworden an diesem Freitag im Frühling des Jahres 30 oder 31. Auf dem Hügel Golgota bei Jerusalem stehen drei Kreuze, an denen drei Leichname hängen, das ist kein ungewöhnlicher Anblick. Die Römer kreuzigen immer wieder mal Verbrecher oder Aufrührer. Es ist still geworden, die Schaulustigen, haben sich verzogen, es gibt nichts mehr zu sehen. Ein paar Soldaten sind noch da und passen auf, dass sich niemand an den Toten zu schaffen macht.
Predigttext: Lukas 23,32-49
Es ist später Nachmittag geworden an diesem Freitag im Frühling des Jahres 30 oder 31. Auf dem Hügel Golgota bei Jerusalem stehen drei Kreuze, an denen drei Leichname hängen, das ist kein ungewöhnlicher Anblick. Die Römer kreuzigen immer wieder mal Verbrecher oder Aufrührer. Es ist still geworden, die Schaulustigen, haben sich verzogen, es gibt nichts mehr zu sehen. Ein paar Soldaten sind noch da und passen auf, dass sich niemand an den Toten zu schaffen macht.
Im Jerusalemer Palast des römischen Statthalters treffen sich Lucius und Marcus im Büro der Geschichtsschreiber. Sie kommen gerade von dem Hügel Golgota und sind noch etwas angegriffen von der Hinrichtung, die sie mit angesehen haben. Sie hatten so etwas schon mehrmals erlebt, aber dieses Mal lag etwas Besonderes in der Luft. Die beiden Verbrecher am Kreuz interessieren sie nicht so besonders. Alltag. Aber der dritte, der da hing, ein gewisser Jesus, der hat eine Vorgeschichte, der ist bekannt, über den können sie was schreiben.
Schnell haben sie die Vorgeschichte dieser Hinrichtung beisammen. Viele führende Leute aus Jerusalem wollten, dass Jesus gefangen genommen wird. Aber warum? Weil er oder andere über ihn behaupteten, er sei der König der Juden? Das durfte man selbstverständlich nicht zulassen. Auch nicht dass er den Anschein erweckte, und die Leute über ihn sagten, dass er der Sohn Gottes sei. Das war einfach zu viel.
Also ist er verhaftet und dann ihrem Chef, dem römischen Statthalter Pontius Pilatus vorgeführt worden. Der konnte aber nichts finden, wofür Jesus verurteilt werden müsste. Auch der zu Rate gezogene jüdische König Herodes konnte nicht weiterhelfen. Die Priester und die Volksmenge behaupteten aber steif und fest: „Mit seiner Lehre hetzt Jesus im ganzen jüdischen Land das Volk auf“.
Draußen vor dem Palast des Pilatus hat sich die Stimmung in der Zwischenzeit aufgeheizt! Pilatus hatte das Volk vor die Wahl gestellt. Wollt ihr, dass ich Barabbas begnadige oder Jesus? Barabbas ist ein verurteilter Mörder. Pilatus ging davon aus, dass Jesus frei kommt. Aber sie schrien wie aus einem Mund: „Weg mit ihm! Gib uns Barrabas frei."
Nun gut, sagt Lucius, Pontius konnte dann ja gar nicht mehr anders als Jesus hinrichten zu lassen.
Aber es bleibt merkwürdig, meint Marcus. Ich habe gehört, dass sonst immer viele Menschen diesem Jesus zugejubelt haben. Er hat doch Wunder getan, Leute geheilt und so weiter. Verstehen kann ich das nicht. Und wo sind eigentlich die ganzen Frauen und Männer geblieben, die jeden Tag mit ihm unterwegs waren?
Mir hat jemand erzählt, antwortet Lucius, dass die meisten geflohen sind, als Jesus verhaftet worden ist, nur ein paar Frauen haben bis zur Kreuzigung durchgehalten.
Was soll ich denn jetzt schreiben, fragt Marcus. Überschrift: Wundertäter konnte sich nicht selbst helfen? oder: Vermeintlicher König der Juden am Kreuz hingerichtet?
Hast du eigentlich mitbekommen, ob er noch noch irgendwas gesagt hat? Hat er sich gewehrt? Hat irgend jemand über ihn noch was gesagt?
Na ja, sagt Lucius. Da gibt es schon noc h was. Ich habe einem der Soldaten etwas Geld gegeben und der hat mir noch ein paar Sätze weitergesagt. Aber ich weiß wirklich nicht, ob wir daraus was machen können!
Erzähl, sagt Marcus.
Einer der Verbrecher soll gesagt haben: »Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.«
Hm, murmelt Marcus, wirklich erstaunlich. Dieser Verbrecher muss ja ein unglaubliches Vertrauen in diesen Jesus gehabt haben. Der hängt am Kreuz, völlig hilflos, und dieser Mensch neben ihm glaubt trotzdem, dass er durch diesen Sterbenden zu Gott kommt. Und er glaubt, dass er für ihn, einen sündigen Verbrecher, etwas tun kann! Offensichtlich glaubt er ja, dass dieser Jesus am Kreuz ihm seine Sünden vergeben wird!
Und hat der Soldat gehört, was Jesus geantwortet hat? Ja, sagt Lucius : »Amen, das sage ich dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!«
Donnerwetter ruft Marcus, das nenn ich mal Gottvertrauen!
Und du erinnerst dich doch an die Sonnenfinsternis heute, fährt Lucius fort. Danach, so hat mir ein Priester erzählt, zerriss der Vorhang im Tempel mitten durch. Äußerst merkwürdige Geschichte, keiner kann sich das erklären. Erinnert mich an Menschen, die aus Trauer ihre Kleider zerreißen. Und direkt danach ist Jesus dann gestorben, das war um drei Uhr heute Nachmittag.
Ich weiß, sagt Marcus, und er hat laut geschrien: »Vater, ich lege mein Leben in deine Hand.« Ich habe noch was anderes gehört, sagt Lucius: „Es ist vollbracht.“
Beide Geschichtsschreiber sind eine Weile still und sinnen darüber nach. „Vater, ich lege mein Leben in deine Hand; es ist vollbracht“. Nach einer Weile bricht Marcus das Schweigen. „Ich hätte ja einiges erwartet, Wut auf das Volk, auf die Priester, auf die Römer“ – statt dessen klingt das so, als ob er den Willen Gottes erfüllt. Und er nennt Gott ganz vertraut „Vater“, obwohl der das alles zulässt.
Gab es eigentlich Reaktionen von den Leuten, die um das Kreuz herumstanden?
Ja, sagt Lucius, du wirst es nicht glauben – ausgerechnet ein römischer Hauptmann, einer von uns, hat laut gesagt: »Dieser Mensch war wirklich ein Gerechter, ein Frommer.« Erstaunlich. Eigentlich kann der doch überhaupt nicht beurteilen, was ein jüdischer Gerechter oder Frommer ist!
Aber ich stand direkt neben ihm. Ich habe gesehen, dass er richtig ergriffen war! Also ich hatte das Gefühl, dass er das ganz ehrlich gemeint hat!
Wieder war es einen Moment ganz still in dem Büro.
Also ich fasse für die Geschichtsschreibung zusammen, sagt Marcus dann: Jesus hat jahrelang Reden gehalten, von seinem Vater im Himmel erzählt, sich als wahrer Menschenfreund gezeigt, Wunder getan, Menschen geheilt, angeblich sogar Tote auferweckt.
Zweitens: er hat sich mächtige Feinde gemacht, die ihm das alles nicht gegönnt haben. Deswegen ist er verurteilt und ans Kreuz genagelt worden. Er hat das offensichtlich hingenommen.
Drittens: Ein Verbrecher und ein römischer Hauptmann erwarten sehr viel von ihm!
Viertens: Jetzt muss sich zeigen, was alle diejenigen machen, die ihm jahrelang nachgefolgt sind. Und es muss sich zeigen, wie sich Gott zu ihm verhält. Als Jesus am Kreuz hing, hat Gott jedenfalls nicht eingegriffen.
Ja, sagt Lucius, ich habe das Gefühl, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende ist, auch wenn es gerade so aussieht.
Ok, sagt Markus wir bleiben dran! Wir erkundigen uns, wo er begraben wird. Dann schicken wir jemanden zum Grab, der beobachten soll, was weiter geschieht.
Holz auf Jesu Schulter,
von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens
und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison,
sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten,
lass uns auferstehn.
(LIed EG 97)