Sach 8,20–23
20 So spricht der HERR Zebaot:
Völker werden sich auf den Weg machen,
Einwohner großer Städte werden kommen.
21 Die einen werden zu den anderen sagen:
»Auf, lasst uns nach Jerusalem pilgern!
Wir wollen den HERRN durch Opfer gnädig stimmen.
Lasst uns den HERRN Zebaot aufsuchen.
Auch wir wollen hingehen.«
22 So werden viele Nationen kommen
und Menschen aus zahlreichen fremden Völkern.
Sie werden den HERRN Zebaot in Jerusalem aufsuchen
und den HERRN durch Opfer gnädig stimmen.
23 So spricht der HERR Zebaot:
Zu dieser Zeit werden zehn Männer kommen,
aus Völkern mit ganz verschiedenen Sprachen.
Sie greifen nach dem Mantelzipfel eines Mannes
aus dem jüdischen Volk.
Sie halten ihn fest und sagen: »Wir wollen mit euch gehen!
Denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.«
Liebe Gemeinde,
„Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ ist ein bekannter Satz, der zwar so zugespitzt nicht stimmt, aber auch nicht ganz falsch ist. In der Tat: Wer nur die Hannoversche Allgemeine Zeitung von der ersten bis zur letzten Seite liest, braucht an manchen Tagen gute Nerven. Vieles überlesen wir ja inzwischen, ich jedenfalls kann kaum noch die Details über die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen verfolgen, zu schrecklich. Wenn dann noch schlechte Nachrichten aus Hannover dazukommen, und wenn es nur die ist, dass die Verwaltung nicht richtig funktioniert, reicht es schon.
Zur Zeit allerdings erreichen uns auch viele gute Nachrichten, jedenfalls für diejenigen, die die Olympischen Spiele mögen. Medaillen werden gefeiert, auch noch mancher vierte oder fünfte Platz. Aber wenn ein Medaillentraum zerplatzt, ist das auch eine Schlagzeile „Fahnenträgerin Wagner scheitert im Kampf um Bronze“. Wie auch immer - bald wird es heißen, leider sind die Olympischen Spiele vorbei, sie haben so schön von den Krisen der Welt abgelenkt! Wie schon vorher die Fußball-Europameisterschaft.
Es gibt auch Gegenbewegungen zu dem Satz „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ verschickt jede Woche einen Newsletter mit dem Titel „Nur gute Nachrichten und Inspirierendes zum Wochenende“. Das macht tatsächlich Freude und Hoffnung, darin zu lesen. Ein paar Überschriften aus dem neuesten Newsletter: „Die Wirtschaftslage in der Eurozone hat sich verbessert“, „Trotz des Anstiegs im Juli: Die Inflation in Deutschland dürfte laut Ifo-Institut weiter zurückgehen“, „Private Haushalte und Unternehmen setzen verstärkt auf Fotovoltaik zur Stromerzeugung“, „Weltweit werden immer mehr Elektroautos gefahren, vor allem in China“, „Großbritanniens Strände sind deutlich sauberer, seitdem Plastiktüten etwas kosten.“, „Im Südatlantik haben sich die Bestände an Buckelwalen deutlich erholt.“, „In Thailand gibt es wieder mehr freilebende Tiger“, „Mehr Bafög für Schüler und eine Ausbildungsgarantie“. Na also, geht doch!
Ich möchte eine gute Nachricht aus Ahlem dazu setzen, die im Blick auf den heutigen Israelsonntag wichtig ist. Sie wissen ja, dass es in Ahlem ab November 1944 ein Konzentrationslager gab. In den fünf Monaten seines Bestehens starben dort 750 Menschen, vor allem polnische Jüdinnen und Juden, die brutale Zwangsarbeit verrichten mussten. Zur Erinnerung an die Opfer bildete sich 1987 der „Arbeitskreis Bürger gestalten ein Mahnmal“. 1994 wurde in einer Feierstunde mit einem ökumenischen Gottesdienst nach siebenjähriger harter Arbeit das Mahnmal an der Petit-Couronne-Straße der Öffentlichkeit übergeben. Seitdem finden regelmäßig Gedenken und ökumenische Gottesdienste statt. Seit zwei Jahren gibt es auf dem ehemaligen Gelände des KZ einen Rundweg mit Informationstafeln. Die versprochene gute Nachricht: Seit 24 Jahren sind Schülerinnen und Schüler der ehemaligen Hauptschule und jetzigen Oberschule Heisterbergschule dabei! Die Schule hat die Patenschaft für das KZ-Mahnmal übernommen und immer neue Jahrgänge setzen sich im Unterricht intensiv mit der Geschichte auseinander. Regelmäßig beteiligen sie sich mit Beiträgen an den Gedenkstunden und Gottesdiensten. Letztes Jahr haben sie ein viel beachtetes Comic veröffentlicht „Auf den Spuren der Vergangenheit in Ahlem.“ Großartig!
Liebe Gemeinde,
haben Sie nicht auch ein wenig Zuversicht und Hoffnung gespürt, als ich die Überschriften der guten Nachrichten vorgelesen habe? Vielleicht ist damit noch nicht die Welt gerettet, aber wir bekommen doch andere Bilder in den Kopf. Es geht nicht darum, die Lage schönzureden, es geht darum zu prüfen, wie wir damit umgehen und mit welcher Haltung wir unser Leben führen.
Der Prophet Sacharja aus unserem Predigttext entwirft ein schönes positives Bild in einer ernsten Lage: Zehn Menschen aus Völkern mit ganz verschiedenen Sprachen greifen nach dem Mantelzipfel eines Mannes aus dem jüdischen Volk. Sie halten ihn fest und sagen: „Wir wollen mit euch gehen! Denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.“
Ich finde dieses Bild so gut, weil es offen ist. Ja, sie greifen nach dem Mantelzipfel, wir können auch sagen nach dem Rockzipfel. Und sogleich möchten wir einwenden, nein, ich halte mich doch nicht an dem Rockzipfel anderer Menschen fest - das machen kleine Kinder. Ich gehe meinen eigenen Weg.
Diesen Einwand unterstütze ich, wenn die Menschen nicht sagen würden: „Wir wollen mit euch gehen! Denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist!“ Das öffnet die Situation: Wir wollen mit euch gehen - sie sagen nicht: ihr zwingt uns, uns bleibt nichts anderes übrig. Es wird keine Gewalt angewandt. Sie wollen mit gehen, zusammen gehen, Gemeinschaft haben, in Frieden leben.
Und warum tun sie das? „Wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.“ Das ist ein ungeheuer wichtiger Satz: Wir erleben Verführer, die uns das Blaue vom Himmel versprechen und sich als Löser aller Probleme der Welt aufspielen. Wenn wir ihre Versprechungen einem harten Faktencheck unterziehen, bleibt nicht viel übrig. Sie setzen einfach darauf, dass ihre Lügen und falsche Versprechen schon ihre Wirkung zeigen, einfach, weil wir die üblichen schlechten Nachrichten nicht mehr ertragen können. Es geht ihnen dabei nur um ihren eigenen Einfluss, nur um ihre Macht. An deren Rockzipfel NICHT hängenbleiben!
Bei Sacharja hören wir andere Töne: Die symbolischen 10 Männer aus den verschiedenen Völkern greifen nach dem Mantelzipfel eines Mannes aus dem jüdischen Volk, weil Gott bei ihm ist, nicht weil der irgendwas verspricht, was er dann nicht halten kann. Es geht nicht darum geht, irgendwelchen Versprechungen nachzulaufen, sondern darum, Gott zu suchen. In der Hoffnung, dass von ihm Weisung für die ganze Welt ausgeht.
Sacharja redet übrigens ganz konkret davon, wie das ist, wenn Gott mit seinem Wort da ist. Er schreibt:
„So kam das Wort des HERRN zu Sacharja. 9 Und der erinnerte die Leute daran, was der HERR Zebaot damals gesagt hatte: »Sorgt bei Gericht dafür, dass gerecht geurteilt wird! Habt Nachsicht miteinander und seid barmherzig! 10 Unterdrückt nicht Witwen und Waisen, Fremde und Arme! Plant nichts Böses gegeneinander!«
Schlechte Nachrichten - gute Nachrichten. Sacharja spannt einen Horizont auf, der uns auf gute Nachrichten hoffen lässt. Es gibt Menschen, die sich aufmachen und miteinander Wege des Friedens, der Versöhnung und der Gerechtigkeit gehen weil sie gehört haben, dass Gott bei seinen Menschen ist.
Menschen wollen bei dem sein, der die Weisung an die Welt so zusammengefasst hat: Jesus sagte einmal: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt" (5.Mose 6,5).38 Dies ist das höchste und erste Gebot. 39 Das andere aber ist dem gleich: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (3.Mose 19,18). 40 In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“
Völker werden sich auf den Weg machen,
Einwohner großer Städte werden kommen.
21 Die einen werden zu den anderen sagen:
»Auf, lasst uns nach Jerusalem pilgern!
Lasst uns den HERRN Zebaot aufsuchen.
Auch wir wollen hingehen.«
Dann mal los ....
Dr. Johannes Neukirch, Predigt am 4. August 2024 in Ahlem