Predigt aus dem Gottesdienst am Sonntag Oculi, 20. März 2022

Mon, 21 Mar 2022 09:12:18 +0000 von Martin-Luther-Kirchengemeinde Ahlem

Dr. Johannes Neukirch, Gottesdienst am 20.3.2022 in Ahlem, Predigt über EG 98

Liebe Gemeinde,

„Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün“ haben wir eben gesungen. Vielleicht haben Sie gedacht „das ist auch etwas gewagt, in dieser Kriegs-Situation von der Liebe Gottes zu singen. Wenn Menschen leiden, vor ihren zerstörten Häusern stehen, Familien auseinandergerissen werden, Mütter mit ihren Kindern auf der Flucht sind, Zivilisten und Soldaten sinnlos sterben. Das empfinden wir doch als eine Situation, in der uns Gott verlassen hat. Und ein liebender Gott verlässt nicht einfach seine Kinder.

Unser Lied steht bei den Passionsliedern. Es singt nicht naiv von dem lieben Gott, der uns unsere Wünsche erfüllt. Wenn wir auf die biblische Passionsgeschichte schauen, ist das sowieso keine Erfolgsgeschichte, und sie steht quer zu unseren Erwartungen und Wünschen, so wie sie auch quer zu den Erwartungen und Wünschen der Jüngerinnen und Jünger stand. 

Denn, wie es in der zweiten Strophe unseres Liedes in bitteren Sätzen heißt: „Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. Jesus ist tot.“

Das bedeutet doch: Gott selbst hat seine Liebe nicht durchsetzen können. Sein Sohn Jesus wird abgelehnt in allem, was er tat und verkündigte. Die Welt ist ihm nicht gefolgt. Sie rollte einen Felsen vor sein Grab. Zu und aus. 

Aber warum setzt der allmächtige und barmherzige Gott denn nicht einfach seine Liebe durch, warum greift er nicht in das Weltgeschehen ein? 

Wir finden keine Antwort auf diese Frage außer der einen, die Martin Luther wieder einmal so genial formuliert hat. Er hat gesagt, dass Gott unter seinem Gegenteil verborgen ist. Das müssen wir uns auf der Zunge zergehen lassen: Gott ist unter seinem Gegenteil verborgen – wo es also so aussieht, als sei alles verloren, als sei die Welt ohne Gott ihrem Hass und ihrer Gewalt überlassen, gerade da ist Gott. Unter seinem Gegenteil verborgen, mitten im Elend, in den Trümmern von Mariupol und Kiew und all den anderen Städten in der geschundenen Ukraine. Mitten in Afghanistan und Syrien und wer weiß wo noch. 

Gott setzt seine Liebe nicht gewaltsam durch. Er triumphiert nicht mit Macht, Stärke und Glanz. Er zeigt sich anders. Der Dichter unseres Liedes sieht das so:

„Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün“. Unserem Lied liegt ein Vers aus dem Johannesevangelium zugrunde. Jesus sagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Joh 12,24

Damit spielt Jesus auf sein eigenes Schicksal an. Das Weizenkorn, das sterben muss, damit daraus ein Halm wird, ist ein Bild für seinen Tod am Kreuz. Er weiß, dass er sterben muss. Er wird selbst das Gefühl erleben, von Gott verlassen zu sein. Und doch vertraut er darauf, dass ihn sein Vater nicht im Stich lassen, sondern vom Tod auferwecken wird. 

Was trägt ihn in dieser Situation? Was trägt uns in solchen Situationen? 

Unser Liederdichter sagt: 

Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
 unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn -
 hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
 Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Unser Liederdichter antwortet mit der Hoffnung und dem Glauben an die Auferstehung. Das ist doch der einzige Trost, der uns im Moment bleibt: dass diese Welt eben nicht sich selbst überlassen ist. Woran Jesus festhält und woran wir auch festhalten können, ist die Liebe Gottes. Das meint: Gott hält die Welt in seinen Händen: „Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien“. Und denken Sie an das Motto des Weltgebetstags: „Zukunftsplan: Hoffnung!“

Paulus, der selbst viel erleiden musste, schreibt das in bewegenden Worten im Römerbrief: 

„Ich bin zutiefst überzeugt: / Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – / nicht der Tod und auch nicht das Leben, / keine Engel und keine weltlichen Mächte, / nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges / und auch keine andere gottfeindliche Kraft. / 39 Nichts Über- oder Unterirdisches / und auch nicht irgendetwas anderes, / das Gott geschaffen hat – / nichts von alledem / kann uns von der Liebe Gottes trennen. / In Christus Jesus, unserem Herrn, / hat Gott uns diese Liebe geschenkt.“

Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Die Liebe Gottes geht durch den Tod hindurch und trägt Früchte. Die Früchte, die Körner, die der Halm hervorbringt, sind wichtig!

Bevor Jesus den Weg ans Kreuz ging, hat er seinen Jüngerinnen und Jüngern ein neues Gebot mit auf den Weg gegeben: „Liebt einander! Genauso wie ich euch geliebt habe, sollt ihr einander lieb haben.“ 

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt - Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Amen. 
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